Eine moderne Waffe der Terroristen

Seit etwa 20 Jahren steigt die Zahl der Selbstmordattentate auf verschiedenen Kontinenten

Auf Selbstmordattentate haben Islamisten so wenig ein Monopol wie eine bestimmte Religion

BERLIN taz ■ Auf islamische Selbstmordattentäter warten angeblich Jungfrauen. Seite an Seite mit dem Propheten soll der „Märtyrer“ sitzen und Allah persönlich ins Antlitz schauen. Diese Perspektive gilt als Anreiz für gewalttätige muslimische Fundamentalisten, sich per Gewaltakt auch aus dem eigenen Leben zu verabschieden.

Doch auf Selbstmordattentate haben islamistische Terroristen so wenig ein Monopol wie eine bestimmte Religion. Im Zweiten Weltkrieg haben zunächst die Selbstmordangriffe japanischer Kamikazeflieger, die sich, von ihren Kommandeuren gezwungen, auf feindliche Schiffe stürzten, und auch das nazideutsche Projekt Selbstopfer von sich Reden gemacht.

In den 80er-Jahren nutzte der Iran so genannte Bassidschis, oft sehr junge Kriegsfreiwillige, für „Märtyrerangriffe“ zur Abwehr der irakischen Aggression im Ersten Golfkrieg. Sie wurden mit einem Schlüssel für das Paradies um den Hals in die Minenfelder geschickt oder als Kanonenfutter verheizt. Aus dieser Erfahrung wurde das heute bekannte Selbstmordattentat 1982/83 im libanesischen Bürgerkrieg von schiitischen Gruppen entwickelt, aus denen später die Hisbollah hervorging. Damit wurde der Rückzug der USA und Frankreichs aus dem libanesischen Bürgerkrieg wie auch später von Israel aus dem Südlibanon erreicht.

Als zunächst direkte Kopie des Anschlags auf das US-Hauptquartier in Beirut 1983 übernahmen die hinduistischen Tamil Tiger in Sri Lanka die Strategie des Selbstmordattentats für ihren Kampf um Unabhängigkeit ab 1987. 1991 tötete eine Tamilin den indischen Premierminister Rajiv Gandhi durch ein Selbstmordattentat. In Kaschmir gab es die ersten Selbstmordattentate ab 1989, ohne sich jedoch stark auszubreiten.

Unter den Palästinensern wurden Selbstmordattentate ab 1993 zur Waffe. Die ersten Attentate verübte der Islamische Dschihad, später folgten andere Gruppen. In Tschetschenien begannen die ersten Selbstmordattentate 2000. Der 11. September 2001 machte diese Kampfform international berüchtigt, seitdem hat es Selbstmordattentate in immer mehr Ländern gegeben. Seit April 2003 kommt es im Irak fast täglich zu Selbstmordattentaten. HAN