Es kann nur einen geben

Der Karmann Ghia ist die Diva unter den deutschen Sportwagen. Eine Gratulation zum 50. Geburtstag

„Schnittiger Volkswagen-Zweisitzer erblickt bei Karmann Licht der Welt“, titelte die Osnabrücker Zeitung am am 15. Juli 1955. Tags zuvor war im Kasino in Georgsmarienhütte, nahe des Karmann-Werks Osnabrück, eine kleine Sensation enthüllt worden: ein Sportwagen, gebaut auf der Basis des VW Käfer.

30 PS hatte der erste Karmann Ghia, viele Autos waren schon damals schneller. Auch das Fahrwerk war nicht besonders sportlich. Aber darum ging es nie beim Karmann Ghia. Er ist nicht irgendein Auto. Er ist DAS Auto.

Beweis: Im ersten Teil von Quentin Tarantinos großartigem Film „Kill Bill“ fährt die Hauptdarstellerin, die wunderschöne Uma Thurman, fast so viele Autos, wie sie Glieder abschlägt. Im zweiten Teil aber, in dem der erste Teil aufgehoben, zusammengefasst und auf eine neue Ebene gebracht wird, fährt sie nur ein Auto: einen Karmann Ghia, die offene Cabrio-Version.

Kleinlich wäre es, über den Benzinverbrauch reden zu wollen oder auch über Schadstoffwerte. Bei einem Gedicht fragt auch niemand, wie viel Tinte dafür verbraucht worden ist. Der Karmann Ghia ist ein Emblem der Sehnsucht. Romy Schneider fuhr einen Karmann Ghia, und Grace Kelly kam als Fürstin Gracia von Monaco zwar in einem Rover ums Leben. Ein Karmann Ghia aber hätte entschieden besser zu ihr gepasst. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass der Karmann ausgerechnet am 14. Juli herauskam, dem französischen Nationalfeiertag. Die Eleganz seiner Erscheinung hat er allerdings in Italien bekommen, in den Turiner Studios der Sportwagenkonstrukteure von Ghia.

Wäre es nach Volkswagenchef Heinz Nordhoff gegangen, der Karmann wäre nie gebaut worden. Doch der Namensgeber und Erfinder des Autos, Wilhelm Karmann, blieb zäh, und der Erfolg gab ihm Recht: Bis 1974 wurden über 440.000 Stück produziert, zwei Drittel gingen in die USA.

Nie wieder wurde in Deutschland ein so schöner Sportwagen gebaut. Sein Nachfolger, der Scirocco, geriet sofort in den Ruch des Prolligen, weil er versuchte, tatsächlich PS vorzuweisen. Der Karmann dagegen hatte das nie nötig. Es reichte, dass er aussah wie ein Sportwagen. Rattern durfte er wie ein VW-Käfer, der er eigentlich ja war.

Im Karmann erreichte die Nachkriegs-Sehnsucht nach mediterraner Leichtigkeit einen ersten Höhepunkt. Als die Landhäuser in der Toscana noch zu teuer waren, importierte er stellvertretend ein Lebensgefühl. Flatterndes Kopftuch, das Gesicht im Wind, doch zugleich das vertraute Röhren des Käfermotors im Rücken. So viel Freiheit war gerade möglich. Daniel Wiese