Musikalische Farbschichten

Bei Sigur Rós verschwimmen alle Grenzen. Die musikalischen sowieso, doch geht die isländische Gruppe noch weiter: In Momenten ihrer Livedarbietungen glaubt man nicht einem Konzert beizuwohnen, sondern einem künstlerischen Happening; man glaubt, eine multimediale Rauminstallation betreten zu haben, in einen Gottesdienst geraten zu sein oder in ein barockes Bildertheater aus reiner, sprühender Schönheit.

Es ist schon etwas Besonderes, wie die Musiker ihre ganz gewöhnlichen Instrumente bedienen: E-Gitarren, Bass, Schlagzeug und zwei Keyboards. Mit welcher Konzentration und Verinnerlichung sie diese klingen lassen, das hat nur noch wenig mit einem gewöhnlichen Popkonzert zu tun: Dicht gedrängt stehen sie meist zusammen, diese Soundmönche, verkriechen sich gleichsam in ihrer Musik, ohne jeden Austausch mit dem Publikum. Sigur Rós sind beinahe mehr Maler als Musiker: Mit Beharrlichkeit setzten sie Farbschicht über Farbschicht auf die Leinwand – und auch der hohe, so unwirkliche Gesang von Jón Thór Birgisson verfolgt nie das Ziel einer konkreten Mitteilung: Birgisson singt in einer Phantasiesprache, die er „Hopelandish“ nennt.

Das jüngste Album von Sigur Rós trägt keinen Titel, sondern als Bezeichnung einzig eine Klammer, in der nichts steht. Auch im Beiheft steht nichts – und der Hörer ist aufgefordert, etwas in dieses Nichts aus Pergamentpapier hineinzuschreiben oder zu zeichnen. Hinter all dem ist () eine betörende Sammlung von funkelnden Schönheiten: kammermusikalische Pianolinien, mit dem Bogen gestrichene Gitarren, ein feiner, vorsichtig gezupfter Bass, ein Schlagzeug dazu, mal behutsam gesetzter Beckenschlag, mal Monumentalrock. Doch das Anmutigste ist die Stimme, Birgissons kristallklares Heulen. Manchmal lassen Sigur Rós die Gitarren los, dann schwillt der Klang zum Rauschen: zu schneidend schöner Instrumentalmusik.Marek Storch

So, 17. 7., 20 Uhr, Freilichtbühne Stadtpark