Ein „Produkt“ entsteht

Der Entwurf des Kulturhaushalts 2006/2007 liegt vor. Was jetzt noch als „Mindereinnahme“ firmiert, könnte bald „Schließung“ heißen

Bremen taz ■ Produktplan 22: Der dicke Stapel Papier mit diesem Titel wird für Bremens Kulturszene in den kommenden Monaten von entscheidender Bedeutung sein. Es ist der Entwurf des Kulturhaushalts 2006/2007. Senator Jörg Kastendiek hat ihm den schönen Satz mit auf den Weg gegeben: „Bremen soll als „attraktive europäische Kulturstadt ausgebaut werden.“

Kein leichtes Unterfangen angesichts der nüchternen Zahlen. Gegenüber 2005 beinhaltet der Entwurf eine faktische Kürzung von einer Million (2006) beziehungsweise 1,5 Millionen Euro. Dazu kommen noch jeweils rund zwei Millionen, die bisher bei den Wettmitteln verbucht wurden. Eine „längst fällige strukturelle Bereinigung des Budgets“, wie Kastendiek erklärt. Der Hintergrund: Bisher wurden die eigentlich institutionellen Zuschüsse für Landesmusikrat, Stiftung Overbeck oder dem Waller „Brodelpott“ aus den Toto/Lotto-Mitteln bestritten.

Die Kulturdeputation hat das alles auf ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause schlicht „zur Kenntnis genommen“ – mehr ist auch kaum zu erwarten bei stapelweise Kleingedrucktem, das den Deputierten drei Tage vor der Sitzung zugeleitet wurde. Dabei verraten all’ die Excel-Tabellen duchaus bereits Brisantes: Die Volkshochschule soll zehn Prozent einsparen und künftig gemeinsam mit Musikschule und Stadtbibliothek verwaltet werden. Das Wagenfeld-Haus soll weniger Sonderausstellungen machen, die Bürgerhäuser, die Anfang Neunziger Jahre dem Kulturressort unter Helga Trüpel zugeordnet wurden, um das kleine Ressort ein wenig stärker auszustatten, sollen wieder bei Soziales ressortieren.

In Bezug auf das Bremer Theater – mit fast vierzig Prozent Anteil am Kulturgesamthaushalt dessen mit Abstand größter Fisch – wird immer wieder auf die derzeit durchgeführte Betriebseffizienzprüfung verwiesen. Intern ist jedoch klar, dass vor dem Auslaufen des Vertrages von Generalintendant Klaus Pierwoß (im Sommer 2007) keine Kürzungen vorgenommen werden. Der derzeit gesuchte Nachfolger hingegen wird sie quasi als Einstellungsvoraussetzung akzeptieren müssen. Ein besonderes Problem stellen die trotz der Kürzungen noch errechneten „Mindereinnahmen“ dar: 3,5 beziehungsweise drei Millionen Euro. Bis 2009 sollen sie wieder reingeholt werden. Es gilt als offenes Geheimnis, dass dass durch Schließungen geschehen soll.

Immerhin: Es gibt auch Gewinner. Getreu des Kastendiek‘schen Doppelmottos „Prioritätensetzung“ und „Modernisierung“ soll etwa das „Theatrium“, das charmante Zweipersonenpuppentheater im Schnoor, eine „infrastrukturelle Unterstützung“ erhalten, für die Schwankhalle ist ein ganzer kaufmännischer Geschäftsführer angedacht. Auch die „Kinder- und Jugendarbeit im Bereich der Bildenden Kunst“ soll – in nicht näher genannter Weise – profitieren.

Wann ist Klarheit zu erwarten? Im Januar nächsten Jahres, wenn der Haushalt voraussichtlich durch die Bürgerschaft geht. Deren vorbereitende offizielle Haushaltsberatungen beginnen im Oktober. Bis dahin wird mit spitzer Feder nachgerechnet. Wolfgang Schrörs, Kulturpolitiker der CDU, möchte die Effizienzberechnungen für 3.800 VHS-Kurse vorgelegt bekommen, sein SPD-Pendant, Carmen Emigholz, erklärt: „Ich muss das alles jetzt erstmal in Ruhe durcharbeiten.“

Wer dabei gänzlich hinten runterfallen könnte, will derzeit noch niemand sagen. Allerdings steht zu vermuten, dass schlechte Karten hat, wer bei den diversen ressortinternen Rankings meist recht weiter unten landete – wie etwa das Packhaustheater im Schnoor, dem mit Andrea Krauledat die Frau des Ex-Waldau-Intendanten Michael Derda vorsteht. Dessen bereits geschlossenes früheres Haus taucht in den Berechnungen endgültig nicht mehr auf.

Henning Bleyl