Großer Schlussverkauf bei Hans Eichel

Mit Finesse hat es SPD-Finanzminister Eichel geschafft: Der Bundeshaushalt 2006 sieht normal aus. Tatsächlich klaffen riesige Löcher – und das Staatsvermögen ist verscherbelt. Die Lösung ab 2007: Subventionen streichen, die Eigenheimzulage etwa

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Totaler Ausverkauf: SPD-Finanzminister Hans Eichel wirft das gesamte Restvermögen auf den Markt, um den Bundeshaushalt 2006 auszugleichen. Etwa 32 Milliarden Euro will er durch „Einmalmaßnahmen“ erlösen – ein Rekord.

Es bedurfte Kreativität, um diese 32 Milliarden Euro zusammenzukratzen. Rund 5,5 Milliarden Euro soll beispielsweise die „zweite Tranche Postunterstützungskasse“ bringen: Als Post und Telekom privatisiert wurden, übernahm der Bund die Pensionslasten für die Ex-Postbeamten. Anteilig sollten sich jedoch auch die beiden neuen Unternehmen beteiligen. Diese Pensionsforderungen an Post und Telekom will Eichel nun an Anleger verkaufen.

Zudem wird der Bund fürs Jahr 2006 den Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit streichen. Wieder eine raffinierte Transaktion: Ab Januar müssen Unternehmen die Sozialversicherungsbeiträge schon am Monatsende überweisen. Bisher werden die Gelder erst in der Mitte des nächsten Monats fällig. Konsequenz: Im Januar 2006 kassiert die Bundesagentur faktisch doppelt. 3,1 Milliarden Euro dürfte dies zusätzlich bringen. Die Union hat übrigens schon zugestimmt, dass die Sozialbeiträge künftig am Monatsende fällig werden. Sie ließ das Gesetz im Bundesrat passieren, weil sonst die Rentenkassen pleite wären – genau zum Amtsbeginn der neuen Bundesregierung.

Einige Milliarden sollen die letzten Aktien bringen, die der Bund an Post und Telekom hält. Die Papiere werden bei der staatlichen KfW-Bank „geparkt“ und nur sukzessive verkauft, damit der Kurs nicht leidet.

Besonders ergiebig ist der ehemalige Marshall-Fund, der sich jetzt ERP-Sondervermögen nennt und verbilligte Kredite an Mittelständler vergibt. 15 bis 16 Milliarden Euro könnte es bringen, diese Forderungen zu einem reduzierten Kurs zu veräußern.

Trotz dieser Finanzkünste: Die Einnahmen werden nicht reichen. Eichel hat für 2006 neue Nettoschulden von 21,5 Milliarden Euro eingeplant. Die Kreditaufnahme läge damit knapp unter den Investitionen von 22,4 Milliarden Euro – offiziell wäre der Haushalt verfassungsgemäß.

Allerdings nimmt Eichel an, dass die deutsche Wirtschaft 2006 um etwa 1,5 Prozent zulegt. Damit sieht sich der Finanzminister im „mittleren Feld“ der Erwartungen. So prognostiziert die OECD ein Wachstum von 1,8 Prozent, das Münchner Ifo-Institut allerdings nur 1,2 Prozent.

Es wird also spannend, ob die Steuereinnahmen 2006 tatsächlich bei den geplanten 191,5 Milliarden Euro liegen. Zudem dürften die Ausgaben die angepeilten 256,5 Milliarden Euro überschreiten – haben doch die Hartz-Reformen dafür gesorgt, dass nun vor allem der Bund für die Langzeitarbeitslosen aufkommt. Für sie sind 31 Milliarden Euro eingeplant – davon 10,7 Milliarden für Verwaltungskosten und „Eingliederungsmaßnahmen“ wie 1-Euro-Jobs. Doch dürfte diese Summen nicht ausreichen, falls die Konjunktur weiter schwächelt.

Ein Jahr später, 2007, wird es dann wirklich schwierig – wenn kein Staatsvermögen mehr vorhanden ist, um den Bundeshaushalt zu päppeln. 25 Milliarden Euro werden fehlen – trotz einer erneuten Nettoverschuldung von 20 Milliarden. „Struktureller Handlungsbedarf“ lautet der hübsche Titel, den das Finanzministerium für diese Haushaltslücke erfand.

Eichel sah gestern nur eine Lösung: Die Steuersubventionen müssten endlich abgeschafft werden. Vor allem die Eigenheimzulage, „die unsinnigste Subvention, die wir haben“. Auch die Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer würde der Finanzminister weitgehend streichen.

Bisher hat die Union jedoch den Subventionsabbau fast vollständig im Bundesrat abgelehnt. Etwa 12 Milliarden Euro entgehen dem Staat daher 2006 – dieses „Blockadevolumen“ (Eichel) fehlt nun, um das Maastricht-Kriterium einzuhalten und das Gesamtdefizit unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken.

Angesichts der staatlichen Finanzkrise bietet Eichel der Union einen „Tragfähigkeitspakt“ an, um gemeinsam die Subventionen zu kürzen. Der Charme des Vorschlags: Er unterstellt, dass der Finanzminister auch nach der Wahl noch im Amt ist.

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