Erwachsen? Ja, aber

ANTIFOLK Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich Antifolk-Ikone Kimya Dawson nicht beschweren. Ihre Musik aber ist immer noch klapprig, schrullig – und so ernst wie ein Gespräch unter Freunden

Du bist down? Gib mir mal die Gitarre, den Schminkkasten und wir werden ja sehen

VON NILS SCHUHMACHER

Wer Antifolk sagt, muss – in welcher Reihenfolge auch immer – Moldy Peaches und Kimya Dawson sagen. Die zumindest im Ursprung punkig-infantile Farce traditioneller amerikanischer Musik, die Anfang des Jahrtausends viele entzückte, ist mittlerweile auf spezielle Art erwachsen geworden. Das heißt Unterschiedliches. Adam Green etwa, die andere Hälfte der für die Popularisierung dieses Musikzweigs so immens wichtigen Band, gastiert heute gern in Theatern und lässt sich von Orchestern rahmen, während großbürgerliche Verlage sich seiner Gedichte angenommen haben.

Auch Kimya Dawson kann sich nicht über mangelnde Aufmerksamkeit der Musik- und Hörerwelt beklagen. Nebenbei: Für den Soundrack zum Film Juno erhielt sie 2009 sogar einen Grammy. Gleichzeitig markiert sie jedoch gewissermaßen die andere Seite eines Genres, das mittlerweile eine ordentliche Spannweite entwickelt hat. Green gilt als irgendwie dann doch cooler Boy mit dandyhaften Anwandlungen, Dawson hingegen ist ein „Friend“, der einen bei jeder sich bietenden Gelegenheit umarmt, tröstet und verrät, dass es ihm ganz genauso geht, wie einem selbst (und anders herum). Was auch ein Hinweis darauf ist, dass es bei Antifolk im großen Ganzen weniger um Abseitiges als um eine breite Kreise ansprechende, weil einfach und melodisch gehaltene Stilart mit hohem Wohlfühlfaktor geht. Was ja nichts Schlechtes ist.

2002 erschien mit „I’m Sorry That Sometimes I’m Mean“ Dawsons erstes programmatisches Soloalbum. Musikalisch gewohnt reduziert, setzte es sich von den Moldy Peaches vor allem durch textliche Intimität und Ernsthaftigkeit ab. Es folgten weitere fünf Solo-Alben (darunter eine stark polarisierende Kinderplatte). Der rote Faden in diesem Werk besteht wohl darin, den Gesetzen und Erfolgen des Musikgeschäfts struppige Kindlichkeit und Low-Fi-mäßige Schrulligkeit, den ausgeklügelten Strategien das Beiläufige entgegenzusetzen.

Und genauso klingt Dawsons Musik: wie ein beiläufiger Kommentar. Du bist down? Gib mir mal kurz die Gitarre, den Schminkkasten, die Klamottenkiste und wir werden ja sehen. Dass es eines gewissen Talents bedarf, diese Flüchtigkeiten gut und nicht banal klingen zu lassen, versteht sich von selbst. Es ist ja auch nicht jedes Gespräch mit Freunden gleich gut und hilfreich.

Apropos Freunde: „Thunder Thighs“, das letzte Album von 2011, greift auf eine ganze Armee von ihnen zurück, unter anderem auf Aesop Rock, Mountain Goats, Dawsons fünfjährige Tochter, Mitglieder von Strokes, Forever Young, Senior Citizen, Rock and Roll Choir. Klappriger Antifolk ist es weiterhin, und so ernst wie ein Gespräch unter Leuten, die sich lange schon kennen. Und geradezu hymnisch ist es geworden, von dem Mut geprägt, in nahezu jedem Lied einen ordentlichen Chor zum Einsatz zu bringen. Und was sagt der? Er sagt: Erwachsen? Ja, aber.

■ Fr, 13. 7., 19 Uhr, Uebel & Gefährlich (Ballsaal), Feldstraße 66