Kurzkritik: Jens Fischer über das Freedom Theatre
: Getanzte Verwundungen

Ganz schlicht: Warum nicht die Energie, die traumatisierte No-Future-Jugendliche in Palästina zur Selbstmordattentäter-Tragik aufputschen kann, in einem geschützten Raum zu künstlerischen Ausdrucksformen führen? Tanzt eure Verwundungen. Diesen so politischen wie sozialpsychologischen Ansatz verfolgt das couragierte Freedom Theatre im Flüchtlingslager Jenin (Westjordanland). Jetzt gastierte es beim 12. Internationalen Jugendtheater Festival „Explosive!“ im Schlachthof.

Jenin gilt aufgrund der elenden Lebensbedingungen als Intifada-Keimzelle von Juden-Hass und islamistischer Militanz. Ein Brodeln, das als Szenencollage „Fragments of Palestine“ jetzt durch Europa tourt. Die Bühnenbretter zittern, rhythmisch bestampft von physisch sehr offensiven Jugendlichen in weißen Trikots, die mit Graffiti bemalt sind wie die Mauer der Westbank. Hochenergetisch interpretiert wird ein traditioneller Hochzeitstanz. Plötzlich: Explosionslärm, Schreie, schmerzverzerrte Gesichter, hilfloses Leid. Im Marschschritt trampeln Soldaten alles nieder, „Schalom“. Es folgen mörderische Szenen, Märtyrerpathos, Folter – und verzweifelte Selbstbehauptung. Mit Romantikwut dagegen gesetzt: Zweisamkeitssehnsucht.

„Wir haben nichts gegen Juden“, so das Ensemble in der After-Show-Debatte, „aber etwas gegen Mauern, Besatzung, Stacheldraht, israelische Siedlungspolitik und Gewalt.“ Anstatt ästhetisch zu punkten, werden solche Inhalte vermittelt, handwerklich im Stil eines professionellen Jugendtheaterworkshops. Kunst als Antiaggressionstraining mit klarer Friedensbotschaft. Schlicht, überzeugend, sympathisch.