LESERINNENBRIEFE
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Große Koalition der Wegseher

■ betr.: „NSU-Morde. Der Verfassungsbeschmutzer“, taz vom 11. 7. 12

Wolf Schmidts Text über den schillernden Eskapismus liest sich ja recht flott und amüsant. Doch dass es Schmidt bei der Beschreibung der Absurdität des Auftritts Roewers vor dem Untersuchungsausschuss in Erfurt belässt, ist schade.

So absurd, skurril und schillernd Roewer als Person sein mag, das eigentliche Thema hinter den fruchtlosen Befragungen ist die eklatante Abwesenheit eines Versuchs der Aufarbeitung des ostdeutschen 90er-Jahre-Rechtsextremismus. Zu den Ursachen rechtsextremer Hegemonieräume, explodierender rechter Gewalt und der stillen Duldung neonazistischer Gruppen müssten neben Verfassungsschützern auch Kommunalpolitiker, Landtagsabgeordnete, Sozialarbeiter und Lehrer befragt werden. Die Koalition der Wegseher, Verharmloser und Relativierer war in den entscheidenden 1990er Jahren mitunter sehr groß. DAVID BEGRICH,

Arbeitsstelle Rechtsextremismus Miteinander e. V., Magdeburg

Unverständliches Urteil

■ betr.: „Ehrlos. Kein Gesetzesbrecher“ von Robert Misik, taz vom 11. 7. 12

Es ist völlig unverständlich, wie die Richterin zu dieser Erkenntnis kommt, denn allein das Foto auf dem Titelblatt, zusammen mit der verallgemeinernden Bildunterschrift – Die Roma kommen: Raubzüge in die Schweiz – ist derart offensichtlich rassistisch, dass man schon große intellektuelle Verrenkungen unternehmen muss, um das nicht zu erkennen.

Auch die Tatsache, dass ein etwas anders gearteter Artikel irgendwo in der Tiefe des Blattes verborgen ist, kann die Absicht, durch die Bedienung von gröbsten, rassistischen Vorurteilen Kasse zu machen, nicht verschleiern.MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Wegschauen und stillhalten

■ betr.: „Shakespeare statt kritischer Nachfragen“, taz vom 10. 7. 12

Im Zusammenhang mit den Vorgängen in Syrien ist immer wieder die Formulierung zu hören: „Und die Welt schaut zu“ oder, wie es der Fernsehmoderator Frank Plasberg formulierte: „Besser wegschauen und stillhalten – darf uns Syrien so egal sein?“

Mir ist es beileibe nicht egal, was in Syrien geschieht. Aber warum darauf von vielen Medien so viel Augenmerk gerichtet wird und nicht auch auf die täglich etwa hunderttausend Hungertoten, finde ich befremdlich. Beim Hungertod schaut die Welt weg, was gewiss keine Rechtfertigung dafür darstellt, andernorts auch wegzuschauen. Doch Hungertote sind unbequem, denn sie sind eine Kritik an den Menschen in den Wohlstandsgesellschaften, dass durch ihren Lebensstil anderen Menschen die Lebensgrundlage fehlt. Vermutlich spielt der Hungertod in vielen Medien deshalb nur eine untergeordnete Rolle.

Angesichts der Bilder aus Syrien sollte nicht vergessen werden, dass auch Deutschland mit dazu beigetragen hat, Diktatoren im Nahen und Mittleren Osten, in Nordafrika und anderswo mit Waffen aus- und aufzurüsten. Wann lernt die Politik endlich, dass Rüstungsexporte und die Ausbeutung der „Dritten Welt“ wie auch militärisches Eingreifen in Krisengebieten nur Tod und Verderben schaffen?

JOACHIM FISCHER, Bremen

Wer stößt ein Umdenken an?

■ betr.: „Erstmals seit 20 Jahren mehr Verkehrstote“, taz vom 7. 7. 12

Wen wundert die Meldung: 10 Prozent mehr Verkehrstote? Immer mehr passive Sicherheit in den Autos und gleichzeitig immer mehr Gefährdung durch immer stärkere und immer wuchtigere Autos. Immer schnellere Motorräder bei immer ungeübteren Fahrern.

Wer stößt mal ein Umdenken an? MANFRED FRIEDAG, Nordhorn