die taz vor sieben Jahren
: Schröder steigt später aus

Das wichtigste Ergebnis der Energie-2010-Studie, die Günter Altner, Hans-Peter Dürr und Gerd Michelsen verfaßt haben, ist auch in der zweiten Arbeitsphase: Ein schneller Ausstieg aus der Atomstromproduktion bis zum Jahr 2010 ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch möglich.

Für eine andere Art der Energieerzeugung habe die Politik durch eine ökologische Steuerreform, eine Anhebung der Mineralölsteuer und ein Förderprogramm für regenerative Energietechnologie die Rahmenbedingungen zu schaffen. Bei beiden Phasen gleich geblieben sind auch Auftraggeber und Förderer der wissenschaftlichen Arbeit der drei Professoren: die niedersächsische Energie-Agentur, deren Anteilseigner das Land Niedersachsen und die Konzerne Veba und HEW sind.

Geändert hat sich allerdings der Ort, an dem die zwei Teile der Studie öffentlich wurden. Phase II wurde nun fernab von Niedersachsen präsentiert, in der Evangelischen Akademie Bad Boll am Rande der Schwäbischen Alb. Der erste Teil der Studie dagegen war im März 1995 noch im Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Der Initiator des Werks ließ sich damals noch höchstpersönlich das erste Exemplar der Studie in die Hand drücken: der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder.

Mittlerweile redet der SPD-Kanzlerkandidat Schröder davon, daß der Ausstieg aus der Atomenergie zwanzig, fünfundzwanzig oder gar dreißig Jahre dauern wird. Weil die Studie dies widerlegt, ist Schröder demonstrativ auf Distanz zu den Wissenschaftlern gegangen.

Jürgen Voges, 15. 7. 1998