„Die CDU muss sich Sorgen machen“

Noch längst nicht ist die Linkspartei beschlossene Sache. Die PDS-WASG-Verbindung stößt bei der Basis auf starken Widerstand. Doch die wirkliche Bewährungsprobe wird sie erst nach der Bundestagswahl bestehen müssen

taz: Herr Niedermayer, am Wochenende tagt der Bundesparteitag der PDS. Macht ihr Zusammenschluss mit der WASG sie künftig zur drittstärksten Kraft im Bundestag, oder ist das alles nur ein Medienphänomen?

Oskar Niedermayer: Es ist auf keinen Fall nur Schall und Rauch. Aber ob diese Partei auf Anhieb drittstärkste Kraft wird, ist noch offen. Bislang ist ja noch nicht einmal geklärt, ob der PDS-Parteitag die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Delegiertenstimmen für die Umbenennung in „Linkspartei“ zustande bringt. Kritische Stimmen gibt es in der Partei genug. Und PDS-Parteitage haben schon früher eine eigene Dynamik entwickelt.

Dieses Risiko nimmt die Führungsriege in Kauf. PDS-Chef Lothar Bisky erhofft nichts Geringeres als einen „Neuanfang“.

Bislang ist das alles eher die PDS im neuen Gewand. Die PDS-Führung will mit der WASG zusammengehen, um endlich die Westausdehnung zu erreichen, die sie über ein Jahrzehnt erfolglos versucht hat. Die Basis denkt da anders. Identitätsmomente und Nostalgie spielen bei ihr eine viel größere Rolle. Vergessen Sie nicht: Mehr als zwei Drittel der PDSler sind im Rentenalter.

Trotzdem: Die Zeichen stehen auf Vereinigung von PDS und WASG.

Moment! Bis zur Wahl handelt es sich einfach um das, was es auch dem Wahlrecht nach ist: eine PDS-Wahlliste mit neuem Namen, die für einige – nicht allzu viele – WASG-Leute geöffnet ist. Doch allzu viele Listenplätze wollen die Genossen nicht hergeben.

Na schön, das kann man ja im Land Berlin beobachten. Doch: Obwohl beide Seiten sich spinnefeind sind, versuchen sie während des Wahlkampfs ihre Konflikte zu begraben. Die lokalen Streitigkeiten müssen sich nicht zum Problem für die Bundespartei auswachsen?

Im gesamten Osten ist die Lage in den Landesverbänden problematisch. Es wird noch einige Zeit dauern, bis man beim Thema Linkspartei wirklich von etwas Neuem sprechen kann. Vor der Wahl hat auch die WASG einen Anreiz stillzuhalten. Denn sie wissen: Alleine kommen sie nicht über die Fünfprozenthürde. Aber ähnlich wie bei der PDS sieht die WASG-Basis der Vereinigung mit Skepsis entgegen. Ihnen ist die PDS dort, wo sie mitregiert, zu systemnah. Die schwierige Zeit für die Linkspartei kommt daher nach der Bundestagswahl, wenn aus zwei Parteien eine werden soll.

Beiden Parteien hängen bestimmte Etiketten an: Hier die Ostler-Kleinbürger-Partei PDS, dort die WASG als Auffangbecken für enttäuschte westdeutsche Gewerkschafter. Passen die beiden Seiten überhaupt zusammen?

Die Sozialstruktur der Mitglieder ist extrem unterschiedlich. In der WASG sammeln sich viele Gruppierungen. Das sind nicht nur enttäuschte Gewerkschafter und Ex-SPD-Mitglieder. Einen großen Teil bilden auch Leute der versprengten westdeutschen Linken. Sie und die – überspitzt gesagt – enttäuschten Kleinbürger der PDS zusammenzubringen, das wird sehr schwer.

Nach einer erfolgreich verlaufenen Bundestagswahl könnten diese Unvereinbarkeiten die Partei zerreißen.

Wenn die Linkspartei auf Anhieb dritte Kraft wird – was ich nicht glaube –, dann kann das einen innerparteilichen Kick geben, der die politischen und personellen Querelen besänftigt. Zwar will die Linkspartei nach der Wahl ja Opposition betreiben. Langfristig jedoch will sie sich ja auch als linke Kraft etablieren, vielleicht sogar einmal Koalitionspartner werden. Das diszipliniert bekanntermaßen.

Die „Fremdarbeiter“-Äußerung von Oskar Lafontaine und sein Gerede, man müsse auch Wähler vom rechten Rand wegfischen, schrecken die Parteien auf. Entsteht gerade eine „nationale Linke“, die sich nach innen sozial gibt und sich nach außen abschottet?

Ich halte Lafontaines Äußerung nicht für zufällig. Sie ist durchaus Teil einer Strategie, die sicherlich nicht auf die in der Wolle gefärbten Rechtsextremen zielt, aber die Frustrierten, Unentschiedenen und bisherigen Nichtwähler erreichen soll.

Die Wechselwähler werden die Wahl entscheiden. Müssen sich die Grünen die größten Sorgen machen, weil sie eventuell an der Fünfprozenthürde scheitern werden?

Eine PDS-WASG-Kombination wird nicht sonderlich unter Grünen-Wählern wildern. Wer sich wirklich Sorgen machen muss, ist allerdings die CDU. Denn je stärker die Linkspartei werden wird, desto schlechter sind die Aussichten für eine absolute Mehrheit einer schwarz-gelben Koalition.

Das heißt, es käme zur Großen Koalition aus SPD und CDU?

Wenn die Linkspartei ein zweistelliges Ergebnis einfährt, kann es dazu kommen, dass rein rechnerisch keine andere Möglichkeit besteht. Und zwar unter Führung der Union. Das wünscht sich die CDU natürlich nicht. Merkels Unbehagen vor einer Großen Koalition ist kein taktisches Wahlkampfmanöver. Die Unions-Chefin will den vollständigen Machtwechsel, und nicht nur den halben.

INTERVIEW:
MATTHIAS LOHRE