Kasar will das Klavier neu entdecken und Stan and Laura haben schon mal was von Velvet Underground gehört

Bei Tom Waits war das Klavier einst noch der Trunksucht verdächtig. Bei Arnold Kasar raucht das Instrument immerhin gern mal was. Ob allerdings bloß eine Nikotinabhängigkeit besteht oder Gefährlicheres konsumiert wird, das lässt der Titel „The Piano Has Been Smoking“ offen. Auch die Musik sorgt nicht für endgültige Aufklärung: Denn jene recht spezielle Mischung aus Klavier und elektronischer Musik, die Kasar auf dem Album konstruiert hat, erfüllt die Klischees von verrauchten Jazz-Kellerbars ebenso wenig wie die von verkiffter Psychedelia.

Nein, ausgerechnet diesen beiden Assoziationen geht Kasar, der sonst bei jazzifizierten Bands wie Micatone oder Nylon die Keyboards bedient, nicht nach. Dafür berührt er von der Klassik über Clubmusik bis zur Avantgarde viele andere Stile bei diesem Experiment, für das er einerseits sein erstes Instrument, das Klavier, neu entdecken, andererseits aber die mit den Jahren gewonnenen elektronischen Erkenntnisse nutzen wollte. Kein Wunder also, dass in „En Automne“ das Klavier präpariert zu sein scheint, es in „Müllrose“ aber wieder ganz klassisch klingt, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder scheint das Piano ganz zu verschwinden und ist nicht mehr zu hören in Tracks wie „The White Keys“, die eigentlich Techno wären, wenn nicht manchmal völlig überraschend viel zu organische Instrumente quer durch den monoton tuckernden Beat fahren würden. Manchmal, wenn die Stimmung eher abgeklärt als melancholisch ist wie in „Put A Light On Me“, erinnert Kasar sogar ein wenig an klassischen Synthie-Pop in der Tradition von Depeche Mode. Oder er wagt sich wie in „Tango Del Mar“ mit demselben Klangarsenal an einen vergleichsweise fröhlich hüpfenden Rhythmus, der zwar irgendwie lateinamerikanisch klingt, aber ganz anders schwermütig schmachtet als ein echter Tango. Also: Alles ist möglich, manchmal wird auch gesungen, oft aber nicht, doch das Piano hat offensichtlich ein Kraut geraucht, das noch die unterschiedlichsten Ideen zu einem zufriedenen Gesamtbild zusammenfügt.

So ein alles mit allem versöhnendes Wundermittel benötigen Stan and Laura nicht. Die orientieren sich an nur einem einzigen, übermächtigen Einfluss. Der heißt Velvet Underground, allerdings vor allem das legendäre erste Album mit Nico und der Banane. Und davon dann auch nicht die atonalen Ausbrüche, sondern nur die Balladen. Gut, die waren natürlich so großartig, dass man mit der Verarbeitung durchaus die eine oder andere Platte zubringen kann. Die von Stan and Laura heißt „Each Particle In Me…“ und kopiert die Vorlage in bisweilen rührender Detailtreue. Von den schrammelnden Gitarren, die sich in fröstelnden Hallräumen zu verlaufen drohen, bis zum deutschen Akzent, den ja auch Nico niemals loswurde: Das Trio beschränkt sich aufs Allernötigste.

Aber so reduziert gelingen dann sehr intensive Momente wie „The Last Word“: Kein perfekter Popsong, aber in seiner ungelenken Authentizität kaum weniger berührend als das berühmte betrunkene Piano von Herrn Waits. THOMAS WINKLER

■ Kasar: „The Piano Has Been Smoking“ (Fabrique/Rough Trade), live am 19. 7. im HBC

■ Stan and Laura: „Each Particle In Me …“ (zu bestellen unter stanandlaura@email.de), live am 18. 7. im Kaffee Burger