kita und corona
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Mutter: „Kita hat sich nahezu zerlegt“

Von Irene Janek*

Mein Kind besucht eine kleine Eltern-Initiativ-Kita. Das heißt, das Kind hat sie bis zum Corona-Ausbruch besucht, dann noch einmal während der Lockerungen, dann wieder nicht. Es ist mühselig mit einem Kitakind zu Hause, wenn beide Eltern berufstätig sind. Aber wir sind vierfach begünstigt: Ich kann von zu Hause arbeiten, mein Arbeitgeber ist großzügig, wir haben zum Auslauf eine Datsche auf dem Land und oft ist auch das ältere Geschwisterkind zu Hause. Dann beschäftigen sich die beiden zusammen.

Bislang sind wir also nicht auf die Betreuung angewiesen, die mal Notbetreuung, mal eingeschränkte Regelbetreuung heißt. Man ist theoretisch dazu aufgefordert, sie nicht zu nutzen. Ich schaue also fast unbeteiligt darauf, wie die Frage, wer sein Kind wann zur Betreuung schickt, unsere Kita nahezu zerlegt hat. Aber um ehrlich zu sein, bin ich nicht ganz so unbeteiligt, weil dieser Streit zeigt, wie Solidarität funktioniert und wie nicht. Und dass Minderheiten Mehrheiten torpedieren können.

Es gab eine Gruppe von Eltern – eine Minderheit –, die ihre Kinder durchgängig in die Kita brachten. Und eine Gruppe, die sie zu Hause behielten. Vor allem nach dem Appell einer Erzieherin: Sie hatte zu Zeiten, als zwei Drittel der Kinder in die Kita kamen, in einem Brief erklärt, dass sie bei so vielen Kindern Angst um ihre Gesundheit habe. Danach leerte sich die Kita schlagartig. Das war gut zu sehen, aber zugleich fragte man sich: Warum braucht es erst einen flammenden Appell?

Offener Streit brach aus, als es zwei Gruppen geben sollte und deshalb keine durchgängige Betreuung mehr für alle. Da stellten sich die, die durchgängig dagewesen waren, quer. Und die anderen waren sprachlos – und sauer. Weil die Quersteller anscheinend nie auf den Gedanken gekommen waren, dass die zu Hause Betreuenden dies auch aus Solidarität taten: weil Pandemiebekämpfung nun mal möglichst wenig Kontakte bedeutet. Einige Familien waren darunter ganz schön in die Knie gegangen und manchmal traf man weinende Mütter. Aber sie haben es probiert. Die Quersteller sahen vor allem eines: ihr Recht auf Betreuung. Das wollten sie sich nicht nehmen lassen.

Der Streit wurde nicht gelöst, weil der nächste Lockdown kam. Geblieben ist die ernüchternde Erkenntnis, dass es überall Ignoranten gibt und sie die Großzügigkeit demokratischer Strukturen ausnutzen. Neu ist das nicht, aber in Pandemiezeiten fällt es anders auf.

*Name geändert. Die Kita, die das Kind der taz-Autorin besucht, soll anonym bleiben.