NPD droht Migranten-Politikern

RECHTSEXTREMISMUS NPD-Landesverband fordert migrantische Politiker zur „Heimreise“ auf. Staatsanwaltschaft ermittelt. Betroffene, SPD und Linke fordern Verbot der Partei

„Die haben immer noch nicht begriffen, dass dieses Land auch unser Land ist“

ÖZCAN MUTLU, GRÜNE

VON KONRAD LITSCHKO

Die NPD lässt kurz vor der Bundestagswahl ihrem Ausländerhass freien Lauf. Am Wochenende verschickte der Berliner Landesverband an hiesige Politiker mit Migrationshintergrund Briefe, worin diese zur „Heimreise“ aufgefordert werden. Das Schreiben haben etwa die Bundestagskandidaten Ülker Radziwill (SPD), Özcan Mutlu (Grüne) und Figen Izgin (Linke) erhalten. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung ein.

Es ist ein karges zweiseitiges Schreiben, in dicken Lettern mit „Bekanntmachung“ überschrieben. Verschickt wurde es in einem Umschlag ohne Absender. In pseudooffizieller Aufmachung informiert ein „Ausländerrückführungsbeauftragter“ über „Einzelheiten Ihrer Heimreise gemäß dem Fünf-Punkte-Plan“. Die Angeschriebenen sollten sich „schon jetzt um Unterkunft und Arbeit in ihren Heimatländern kümmern“. Eine Kostenbeteiligung an der Rückführung werde verlangt.

Rund 30 Briefe habe seine Partei verschickt, so der Berliner NPD-Chef Jörg Hähnel zur taz. Adressiert worden seien migrantische Bundestagskandidaten und Bezirkspolitiker aus Berlin. „Wir wollen, dass Politik weiter von Deutschen bestimmt wird“, so Hähnel. Nach dem von der NPD vertretenen „Abstammungsprinzip“ seien die türkisch- und arabischstämmigen Politiker „keine deutschen Volksangehörigen“. Anders als angekündigt werde der Brief aber nicht an weitere „Ausländer“ verschickt.

Für Figen Izgin, Direktkandidatin der Linken, ist das Schreiben „mehr als eine Drohung“. Die NPD habe sie und die anderen Angeschriebenen gezielt herausgesucht, um sie einzuschüchtern. „Jetzt erreicht mich der Hass der NPD schon in meinem privaten Umfeld. Was kommt als Nächstes?“ Auch der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu empörte sich über das Schreiben. Er lebe seit Jahrzehnten in Deutschland, habe die deutsche Staatsbürgerschaft. „Die haben immer noch nicht begriffen, dass dieses Land auch unser Land ist.“

Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschland, bezeichnete die Briefe als „geschmacklos und empörend“. Die Drohungen der NPD würden Menschen mit Migrationshintergrund verunsichern. „Das ist Volksverhetzung, diese Partei muss endlich verboten werden.“ Auch die Berliner Linke und SPD forderten, ein Verbotsverfahren gegen die NPD anzustreben.

Wiederholt hatte die NPD in ihrem Wahlkampf gegen Migranten gehetzt. Gezielt vor Moscheen hängte sie in Berlin Plakate mit der Aufschrift „Heimreise statt Einreise“ auf. In Brandenburg beschimpfte der NPD-Spitzenkandidat Klaus Beier den Fußballnationalspieler Mesut Özil als „Plastedeutschen“. Am Dienstag legte die Partei mit einem Wahlkampflied nach. „Die Fremden in Deutschland sind längst zu viele“, heißt es darin. „Unsere Hirne kocht kein Multi-Kulti weich.“ Fizgen Izgin schüttelt den Kopf. Früher sei sie Gegnerin eines NPD-Verbotes gewesen. „Heute sehe ich das anders.“

Erst kürzlich wurde NPD-Chef Jörg Hähnel zweimal gerichtlich verurteilt: Er soll im Dezember 2007 den Mord an Rosa Luxemburg gebilligt und im November 2008 Lichtenberger BVV-Mitglieder als „Verbrecher“ beleidigt haben. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die steten Provokationen sind ein verzweifelter Kampf der NPD um Aufmerksamkeit: Zur Bundestagswahl hat sie keine Chance, zur Brandenburger Landtagswahl wohl auch nicht. Der Berliner NPD-Verband liegt nach zahlreichen Austritten am Boden.

Zuletzt war es Thomas Vierk, Mitglied im Landesvorstand und Fünftplatzierter auf der NPD-Landesliste, der das Handtuch warf. Hähnels Ziele für Sonntag sind daher bescheiden: Er wolle das Ergebnis von 2005 halten, sagt er. Das lautete: 1,6 Prozent.