DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Kampf der Fahrraddiktatur!

WAS SAGT UNS DAS? Österreichs Konservative haben so viel Angst vor Rot-Grün, das sie mit einer Broschüre vor einem Linksbündnis warnen

Österreichs Konservativen muss es wirklich schlecht gehen. Unmittelbar vor der Sommerpause und mehr als ein Jahr vor der nächsten Wahl verschickte Generalsekretär Hannes Rauch an die ÖVP-Funktionäre die Broschüre „Rot-Grün: Eine gefährliche Drohung“. Auf 66 Seiten wird ein Schreckensszenario an die Wand gemalt, in dem die Abschaffung der Ehe und die Abtreibung auf Krankenschein als mindere Zumutungen eines möglichen Linksbündnisses erscheinen.

„Autofahren wird teurer“ und „Fußgänger werden zum Freiwild erklärt“. Hannes Rauchs Vision einer Fahrraddiktatur stützt sich auf die Forderung der Grünen, den Dieselpreis auf das Niveau der Nachbarländer anzuheben und die Benutzung von Radwegen flexibler zu gestalten. Überhaupt wäre Rot-Grün ein Anschlag auf Freiheit und Ordnung: Drogenfreigabe, Fortpflanzung für Lesben, Reichensteuer, grenzenlose Zuwanderung, Abschaffung der Wehrpflicht. An den Stammtischen herrscht Alarm.

In den Parteizentralen von SPÖ und Grünen reagierte man amüsiert und gelassen. Rot-Grün ist nach Umfragen mit knapp 43 Prozent noch weit von einer Mehrheit im Bund entfernt. In Wien funktioniert Rot-Grün seit anderthalb Jahren skandalfrei, in Oberösterreich regiert Schwarz-Grün seit neun Jahren zum beiderseitigen Profit.

So ist nicht damit zu rechnen, dass ÖVP-Funktionäre von der Basis mit bangen Fragen gelöchert werden. Vielmehr sollten sie sich darauf einstellen, über dubiose Geldflüsse aus der Zeit der ÖVP/FPÖ-Koalition Auskunft zu geben, deren Altlasten Gerichte und Untersuchungsausschüsse beschäftigen. RALF LEONHARD