taz-Thema der Woche

Hebammen, lieb und teuer?

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

Mit Geburtsklinik-Chefarzt und Hebammenausbilder Klaus Vetter ist also ein Vertreter jener Interessengruppen benannt, die dafür sorgen möchten, dass die Quote von Nichtklinikgeburten bei unter 2 Prozent bleibt. Ich wäre neugierig, zu erfahren, mit wie viel Post von HebammenunterstützerInnen der Herr Chefarzt jetzt überhäuft werden wird. Vielleicht erklärt ihm jemand, wer mit Kaiserschnitt und Co. die Kosten für die Allgemeinheit in die Höhe treibt. Gebären außerhalb von Kliniken ein Zeichen von Abenteuerlust und Luxus? Frechheit, so was zu behaupten! FLORIAN KIRCHESCH, Potsdam

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

Ich möchte Folgendes klarstellen: Die Kosten für eine normale Geburt im Geburtshaus oder zu Hause waren und sind ungleich niedriger als die in einem Krankenhaus. Wie viel Geld wir im Gesundheitssystem wohl sparen könnten, wenn mehr Kinder zu Hause oder im Geburtshaus entbunden und die Kliniken sich vor allem auf Geburten mit erhöhtem Risikofaktor fokussieren würden? Und wem beim Lesen des Interviews Zweifel gekommen sind: Studien zeigen auf, dass das Risiko bei einer Hausgeburt „im Normalfall“ mit dem einer Klinikentbindung vergleichbar hoch ist.

BIRGIT FRISKE, taz.de

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

Herr Vetter vermittelt über die Haftpflichtversicherung den Eindruck, die Problematik würde nur für Hausgeburtshebammen gelten. Diese Darstellung ist falsch! Auch die Kolleginnen, die als Beleghebammen in Krankenhäusern tätig sind, müssen die horrenden Haftpflichtprämien bezahlen. Darüber hinaus zeigt die IGES-Studie zur Versorgungs- und Vergütungssituation der Hebammen, dass auch ein Teil der angestellten Hebammen die Haftpflichtversicherung ganz oder teilweise selbst finanzieren muss! Herr Vetter hätte im Interview den Schulterschluss mit den Hebammen suchen können, zumal viele seiner ärztlichen Kolleg(inn)en genauso unter der Steigerung der Haftpflichtprämien leiden. SUSANNE WEYHERTER, 2. Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverbandes

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

Also, es ist ja wohl der Gipfel an Dreistigkeit, eine normale Hausgeburt als Luxus zu bezeichnen, für den eine Frau doch bitte auch selbst bezahlen kann.

Ist es nicht viel eher Luxus, auch bei fast allen unkompliziert verlaufenden Schwangerschaften z. B. so viele unnötige und kostenintensive Ultraschalluntersuchungen durch ÄrztInnen vornehmen zu lassen; und eine absehbar unkomplizierte Geburt sehr viel kostenintensiver als zu Hause oder im Geburtshaus fast immer im Krankenhaus stattfinden zu lassen; und diese Mehrkosten ganz selbstverständlich von der Allgemeinheit tragen zu lassen?

Würden wir uns in Deutschland endlich darauf besinnen, Schwangerschaft und Geburt als ganz natürliche Vorgänge anzusehen, die erst mal keine Krankheit darstellen, und sowohl die Vorsorge während der Schwangerschaft sowie die Geburt zuallererst in die Hände der Hebammen als Expertinnen schlechthin zu legen, wäre auch genug Geld da, diese Expertinnen besser zu bezahlen. Und sie könnten dann gezielt die seltenen Fällen, in denen wirklich gesundheitsgefährdende Schwierigkeiten auftreten, an ÄrztInnen und Krankenhäuser verweisen – statt dass, wie bisher, viel zu oft die ÄrztInnen mangels Geduld oder Geburtshilfepraxis normale Verläufe als komplizierend interpretieren und dann unnötige Geburtseinleitungen oder Kaiserschnitte vornehmen, die weitere Risiken nach sich ziehen.

Es wird höchste Zeit für eine Umverteilung der Gelder im Gesundheitswesen für Schwangerschaften und Geburten: weg von ÄrztInnen und Krankenhäusern hin zu den Hebammen – für eine bessere Bezahlung der Hebammen und für den bestmöglichen Start unserer Kinder in ihr Leben! SANDRA GOLDSCHMIDT, Hannover

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

Selbstverständlich ist außerklinische Geburtshilfe nur möglich, wenn für den Fall, dass es zu Hause nicht geht, eine Klinik übernehmen kann. Diese Situation ist in den verschiedensten medizinischen Bereichen normal, auch häusliche Pflege, hausärztliche Versorgung etc. benötigt für den Fall weitergehenden Bedarfs ein Krankenhaus.

Zum Thema „die Allgemeinheit trägt die Kosten für die Abenteuerlust“ ist: Auch für die klinische Geburtshilfe steigen seit Jahren die Deckungssummen und Prämien für die Haftpflichtversicherung. Diese werden über die steigenden Krankenhauskosten selbstverständlich genauso der Allgemeinheit zur Last gelegt – nur ohne dies zu thematisieren. Grundsätzlich geht es darum, dass Frauen bis jetzt ein Recht auf die Wahl des Geburtsortes haben, auch wenn für Herrn Vetter die Entscheidung für eine Hausgeburt nicht nachvollziehbar ist. Dieses Recht wird seit Jahren ausgehöhlt, da in vielen Gebieten Deutschlands schlicht keine Hebamme mehr zu finden ist, die Hausgeburten betreut. Abgesehen davon sind auch die freiberuflichen Hebammen ohne Geburtshilfe von Prämienerhöhungen betroffen.

DOROTHEA ZEEB, München

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

Für eine Hausgeburt bekam eine Hebamme vor fünf Jahren rund 400 Euro, eine ganz normale Klinikgeburt wurde von den Kassen aber mit dem rund dreifachen Satz honoriert.

Wer die Historie kennt, weiß, dass erst in den 60er Jahren die Klinikgeburt in Mode kam, vorher war die Hausgeburt die Regel, ganz besonders in ländlichen Gegenden. Klinikbetreiber und Lobbyisten haben das Geschäft mit der Geburt erfolgreich kommerzialisiert. Eine Verlegung in die Klinik findet bei Hausgeburten in rund 10 Prozent der Fälle, bei Geburtshäusern in rund 18 Prozent der Fälle statt, was im Schnitt rund 15 Prozent macht, aber keine 20 bis 30, wie Herr Vetter sagt. Und genau dafür sind die Kliniken da: für die schwierigen Fälle. Den Rest, inklusive Beckenendlagen, die heute in der Klinik schon den Kaiserschnitt bedeuten, schafft die erfahrene Hebamme auch gut so. ANGELA SCHNEIDER, Tettnang

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

So so, die Hausgeburt ein Luxus obendrauf. Und warum nicht? Luxus, überall Luxus! Und die Geburt? Die natürlichste Sache der Welt? Soll auch luxuriös vonstatten gehen: nämlich in einem edlen, voll technisierten Krankenhaus, dessen Ausstattung, Unterhalt und Personal unglaubliche Summen kostet!

Als ich mich für eine Hausgeburt entschieden habe, machte ich das freilich nicht, um der Versicherungsgemeinschaft Kosten zu ersparen. Ich fühlte mich auch nicht besonders abenteuerlustig, ich war nur einfach nicht krank! Zudem wollte ich eine kompetente Person meines Vertrauens um mich haben, ich wollte Ruhe, ich wollte keinen medizinischen Wirbel um mein Neugeborenes, sondern Zeit im eigenen Rhythmus. Wir hatten großes Glück mit unserer Hebamme, die sich eine Nacht lang für uns Zeit nehmen konnte. Gerade bei den Erstgeburten, die lange dauern. Soll man da im Krankenhaus die Treppen rauf- und runterlaufen oder sich über Stunden nicht trauen, zu jammern, weil nebenan eine junge Mutter schlafen will? Es ist ein Morgen, den ich niemals vergessen werde und niemals vergessen will: mit meinem Kindchen im eigenen Bett liegen, glücklich, gesund und dankbar. Ärzte sind für Krankheiten zuständig, Hebammen für Geburten, so sehe ich das, und die Verkehrung der Umstände ist ein historisch sehr kurzer Moment! Es ist schockierend, dass angestellte Hebammen nur 0,4 % der Geburten im Krankenhaus betreuen, wie Ihre Statistik zeigt! Noch ein Grund mehr, da nicht hinzugehen, wenn frau nicht muss! BIRGIT KÜBLER, Regensburg

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

Für mich unverständlich, wie einer 30 Jahre lang Hebammen unterrichten kann, ohne anscheinend ein Verständnis für den Beruf zu entwickeln. Vetter hat mit seiner Aussage, dass freiberufliche Hebammen ein „Luxus“ sind, wichtige Details übersehen. Die Umstrukturierung der deutschen Krankenhauslandschaft ist nicht erst seit gestern auch bei den Hebammen angekommen. In immer mehr Krankenhäusern werden keine angestellte, sondern freiberufliche Hebammen eingesetzt. Diese Hebammen können/müssen direkt mit den Krankenkassen ihre Leistungen abrechnen und belasten somit nicht den Etat des Krankenhauses. Somit sind die aktuellen Forderungen der Geburtshelferinnen kein „Luxus obendrauf“, sondern notwendige Ausgaben zur Sicherstellung der Grundversorgung.

MARKUS STEITZ, Fachpfleger für Intensiv-/Anästhesiepflege

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

Würden freiberufliche Hebammen angemessen bezahlt, wäre die hohe Haftpflicht kein Problem. Ich habe selbst zwei Kinder im Geburtshaus bekommen und bin froh über diese Entscheidung! Auch meine Krankenkasse ist das, denn es war auch noch kostengünstiger. Und auch wenn eine von zehn Frauen während der Geburt ins Krankenhaus verlegt werden müsste, würde die Krankenkasse Geld sparen. Es geht nicht um ein Luxusproblem, sondern um das Grundrecht, frei zu entscheiden.

CHRISTIN GRESKO, Berlin

■ betr.: „Freie Geburtshilfe wieder möglich, taz v. 11. 7. 12

Lasse mich gern eines Besseren belehren, aber der Sinn von Hausgeburten will mir nicht einleuchten. Klar, Schwangerschaften sind keine Krankheiten, waren aber früher mit extrem vielen Todesfällen verbunden; trotz Voruntersuchungen gibt es nach wie vor unabsehbare Risiken, und da ist die Geburt unter ärztlicher Aufsicht und im Krankenhaus nun mal das Sicherste. Geradezu befremdlich fand ich die Demos der Hebammen vor zwei Jahren, die sich in einer extremen Opferrolle sahen. […]

D. J., taz.de

■ betr.: „Das ist ein Luxus obendrauf“, taz vom 11. 7. 12

„Freiberufliche Hebammen“ sind mitnichten nur diejenigen, die außerhalb der Kliniken arbeiten, sondern inzwischen ist es ein Großteil der Klinikhebammen. Als sogenannte Beleghebammen sind wir für unsere Sozialabgaben komplett selber verantwortlich, das heißt, die Kliniken haben einen Teil ihrer Leistungen „outgesourct“.

Die angeblich so individualisierte Geburt in den Kliniken wird konterkariert durch eine immer stärkere Bereitschaft zu Eingriffen in ein an sich natürliches Geschehen (immer frühere Geburtseinleitungen, Kaiserschnitte). Und kaum eine Klinik bietet eine 1:1-Betreuung wie bei einer Hausgeburt (und wenn, dann wieder durch freiberufliche Beleghebammen). Dass es doppelte Strukturen geben muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Zur Geburt im Geburtshaus bzw. zur Hausgeburt kann eine Frau nur nach Einschätzung ihres individuellen Risikos angenommen werden. Manche Geburten können nur in einer Klinik gut betreut werden. Das ist auch allen Hausgeburtshebammen bewusst. MARGRET POSCHENRIEDER, Freising

Die gesetzlichen Krankenkassen beteiligen sich künftig an den Kosten für die Berufshaftpflichtversicherung von freiberuflichen Hebammen. Darauf hatten sich am Montag die Hebammenverbände und der Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen geeinigt. Die Prämien für die Berufshaftpflicht der Hebammen waren innerhalb von nur zwei Jahren kräftig erhöht worden.

Darüber hinaus fordern die Hebammen auch mehr Honorar. Eine Einigung konnte darüber nicht erzielt werden. Der Verband will deshalb die Schiedsstelle anrufen.

In einem Interview mit der taz erklärte der Hebammenausbilder Klaus Vetter, dass er die Debatte nicht verstehe. Hausgeburten seien eben der Preis für Abenteuerlust und „ein Luxus obendrauf“. Hebammen, betroffene Frauen und Männer protestieren in den hier veröffentlichten Zuschriften.