: Das großeEinseifen
Von Seifenstück bis Seifenoper – alles, was zum Einseifen nützlich ist
Von Lea Schulze (Text) und Pascale Osterwalder (Illustrationen)
Was ist drin?
Seifen werden aus pflanzlichen oder tierischen Fetten hergestellt. Als Rohstoffe dienen hauptsächlich Kokosfett, Olivenöl, Palmöl, aber auch tierische Fette wie Talg, Schmalz oder Knochenfett, Kernseife wurde früher aus Schweineschwarte hergestellt, Gallseife enthält Rindergalle.
Wie wirkt es?
Seife ist ein Tensid. Tenside können die Oberflächenspannung des Wassers verringern. Ihr chemischer Aufbau besteht aus einem hydrophilen und einem lipophilen Teil. Wird Seife in Wasser gelöst, richten sich die hydrophilen, also die wasserliebenden Moleküle zum Wasser hin aus. Die fettliebenden Moleküle lösen sich und binden den Schmutz auf der Haut. Dabei umschließen die Seifenmoleküle die Schmutzteilchen, die durch die mechanische Waschbewegung von der Haut abgelöst und während des Abspülens mit Wasser entfernt werden.
Seife oder Syndet?
Die Bezeichnung Syndet leitet sich aus dem Englischen synthetic detergents ab. Syndets unterscheiden sich von herkömmlicher Seife durch ihre Zusammensetzung: Sie werden durch chemische Synthese, nicht aus natürlichen Fettsäuren gewonnen. Ihnen wird eine höhere Reinigungswirkung unterstellt, und sie lassen sich besser gegen Hautunverträglichkeiten einstellen.
Flüssig oder fest?
Während Flüssigseife etwa zur Hälfte aus Wasser besteht, ist die Stückseife frei davon. Die Reinigungswirkung ist dadurch intensiver und ergiebiger, auch in Hinblick auf Bakterien und Viren. Dennoch empfinden viele Menschen Seifenstücke als unhygienisch. Was aber nur ein rein subjektives Gefühl ist: Bei einem pH-Wert von 8 bis 11 können keine Bakterien auf einem Stück Seife überleben. Ein festes Shampoo ist etwa viermal so effektiv wie ein Flüssigprodukt. Während früher nur Naturkosmetikfirmen feste Shampoos vertrieben, haben inzwischen fast alle konventionellen Marken das Trendprodukt im Sortiment. Die Nachfrage war auch schon vor Corona gestiegen, da Nachhaltigkeit ein ausschlaggebender Kaufanreiz ist.
Viel hilft viel?
Dermatologen raten dazu, Seife sehr sparsam anzuwenden. Die einzige Funktion von Seife sei, dass sie entfettet. Damit trocknet sie die Haut aber aus, der Körper verliert Feuchtigkeit. Die menschliche Haut ist umgeben von Hornschuppen, einem Fettschutzmantel und einem Säureschutzmantel. Durch zu häufiges Einseifen wird der Fettschutzmantel zerstört, Ekzeme, Hautreizungen oder Juckreiz entsteht. Eine rückfettende Seife allerdings wirkt nicht rückfettend, sondern einfach nur weniger entfettend. Das gilt auch für Duschgele. Bei besonders trockener Haut empfehlen Dermatologen Duschöle, die die Haut weniger austrocknen. Man solle die Hände außerdem nicht öfter als zehnmal täglich mit Seife waschen. Ein großer Irrtum ist auch, dass man Schweiß mit Seife abwaschen muss. Dabei ist Schweiß wasserlöslich. Im Gegensatz zum Kfz-Mechaniker, der Seife braucht, um sich zu säubern, ist man nach dem Sport nicht schmutzig.
Eine für alles?
Zur Universalkörperpflege empfehlen Dermatologen Aleppo-Seife, weil sie durch das Olivenöl und den Lorbeer sehr mild zur Haut ist, auch wenn der Geruch etwas gewöhnungsbedürftig ist. Sie eignet sich auch gut für den Kleiderschrank zum Vertreiben von Motten oder als Rasierseife.
Eine für andere
Wenn eine Schraube mal nicht in den Dübel passt, kann Seife helfen: die Schraube ein bisschen im Seifenblock reiben und die Schraube wird geschmeidig.
Duften
Wir denken, ich bin nur sauber, wenn ich gut rieche. Das ist aber Quatsch. Statt Reinigungsprodukten, die die Haut austrocknen, empfehlen Dermatologe für den guten Geruch einen Spritzer Parfum auf den Kopf. Wegen seines Alkoholgehalts hat Parfum auf der Haut nämlich eigentlich nichts zu suchen.
Selber machen
Aus Kernseife lässt sich hervorragend Flüssigseife herstellen, geraspelt und mit Wasser aufgekocht, Olivenöl und vielleicht einem Schuss Lavendel. In Wasser aufgelöst eignet sich Kernseife außerdem zur Schädlingsbekämpfung. Aus Natron, Soda, Essig, Zitronensäure und Kernseife lässt sich außerdem Waschmittel und Spülmittel selbst herstellen. Für händewaschfaule Kinder lässt sich aus Waschlotion, Kokosöl, Rapsöl, Lebensmittelfarbe und Speisestärke eine bunte Waschknete machen. Das Händewaschen wird zum Erlebnis!
Wie kommt die Seife in die Seifenoper?
Als Seifenopern gelten heutzutage zumeist trashige Unterhaltungsserien im Fernsehen. Aus den USA schwappten „Denver Clan“ und „Dallas“ in den 1980ern nach Europa, deutsche Gassenhauer wie „Die Schwarzwaldklinik“ und die „Lindenstraße“ und spätere „Dailys“ á la „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“ und „Verbotene Liebe“ folgten. Die Seife im Namen beziehen die Serien aber nicht etwa, wie man vielleicht meinen könnte, aus den weichgespülten Inhalten und schauspielerischen Darbietungen. Tatsächlich wurden die ersten Serien dieses in den USA ursprünglich im Radio entstandenen Genres vor allem von Waschmittelherstellern finanziert, insbesondere von der Firma Procter & Gamble, die 1939 allein 22 solcher Radioserien produzierte. Charakteristisch für Soaps sind triviale Erzählmuster und Rahmenhandlungen, die viel Raum für Gefühls- und Beziehungsverwicklungen schaffen. In ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Seifenoper verglich die Sozialwissenschaftlerin Daniela Wiegand deren Produktion mit industrieller Fließbandarbeit: Die Seifenoper habe als einzige narrative Form keinen Anfang und kein Ende und verlange von den Rezipienten nur minimale Anstrengung.
Wie kommt die Seife in die Seifenkiste?
Anfang der 1930er Jahre hatte eine US-amerikanische Seifenfirma eine Werbeidee, die sich gewaschen hatte. Seife wurde damals zum Versand in große Holzkisten gefüllt. Die Seifenfirma druckte auf diese Seifenkisten einen Bauplan, wie man aus dem Holz der Kiste eine einfache Karosserie bauen konnte. Für diese Karosserie erweiterte die Seifenfirma ihr Angebot um Lenkung, Achse und Bremse. Damit konnte jeder aus der Seifenkiste ein komplettes Fahrzeug bauen. Die Kinderrennwagen hießen fortan nur noch „soapboxes“ und wurden im wahrsten Sinne des Wortes zum Renner. Dafür, dass Seifenkistenrennen sich auch im Nachkriegsdeutschland in den 1950er Jahren immer größerer Beliebtheit erfreuten, sorgten übrigens US-amerikanische Soldaten.
Wie kommt die Seife in den Mund, um ihn damit auszuwaschen?
Was nach einer überholten Redensart klingt, mit der Kindern Angst gemacht werden soll, wurde vom späten 19 Jahrhundert bis Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem in Großbritannien und den USA tatsächlich praktiziert: Das Auswaschen des Mundes mit Seife war vor allem Reaktion auf „Unanständiges“, Lügen, Rauchen oder vermeintliche verbale Respektlosigkeiten und wurde nicht nur in der Familie, sondern auch in der Schule als Bestrafung eingesetzt.
Pandemiegewinner
Im Jahr 2020 wurden in Deutschland mit Seifen und Syndets rund 630 Millionen Euro umgesetzt. Im Jahr 2019 waren es 375 Millionen Euro.
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