Parkstreifen streifen

Sommer, Sonne, Schlagstock: Seit dem Umbau des Wasserturms in ein Mövenpick-Hotel ist im Schanzenpark nichts mehr wie früher. Parkbesucher zwischen Polizeistreifen und Baustellenlärm

von Swantje Unterberg

Sie sind zu zweit, jung und haben das Recht auf ihrer Seite. Das Wetter ist schön, und sie schlendern durch den sonnendurchfluteten Park. Das Funkgerät knackt, der Schlagstock wippt. Zwei Polizisten auf Streife im Schanzenpark. Im Schatten ist ein prominentes Plätzchen auf einer Bank gefunden – der Blick schweift über den Hügel, auf dem sich das Gefahrenpotenzial tummelt: Kleinfamilien sitzen auf Decken und schlecken Eis, eine Gruppe Punks zelebriert ihr Dasein, Frisbeescheiben sausen über die Köpfe Schlafender, und ein junger Mann klimpert auf seiner Gitarre. In der Nähe des Turms steigen Rauchwolken auf – ist Gefahr im Verzug? Nein, es ist nur ein Grill, der angefeuert wird.

„Da das Hotel auch bei den Anwohnern umstritten ist, und es in der Vergangenheit zu Straftaten mit militantem Hintergrund kam, trifft die Polizei alle geeigneten Maßnahmen, um weitere Straftaten zu verhindern“, erklärt Ulrike Sweden, Polizeipressesprecherin. Was geeignete Maßnahmen sind, erfährt man nicht, aber die beiden Uniformierten scheinen zumindest Teil davon zu sein. Sie sind zwei einer unbekannten Anzahl Polizisten, denn im Schanzenpark lernt man auch, dass Angaben zu laufenden Einsätzen nicht gegeben werden.

Zwischen Kinderspielen und Platzverweisen

Zurzeit scheint alles ruhig – bis plötzlich eine Kugel auf die Ordnungshüter zu schnellt und Bewegung in die trägen Polizeikörper kommt. Beherzt fängt der Größere der beiden den Ball auf und beginnt mit dem sich nähernden Kind zu spielen. Der Vater hält sich dezent im Hintergrund, doch gibt an, es sei ihm egal, mit wem der Zweijährige bolzt. Sie sind zu Besuch in Hamburg, und der Vater kennt den Ärger der Anwohner über den Hotelbau nicht. Auch weiß er wohl nicht, dass Kollegen des freundlichen Spielkameraden seit Baubeginn im Januar mehr als 200 Platzverweise ausgesprochen haben – drei innerhalb der vergangenen vier Wochen, gibt Sprecherin Sweden an: Zwei Menschen hätten gestört, indem sie am Zaun rüttelten, der dritte urinierte gar gegen selbigen und wurde, so Sweden, aggressiv, als Beamten ihn aufforderten, dies zu unterlassen.

Pinkeln im öffentlichen Raum ist verboten, Fahrradfahren auf dem Gepäckträger eigentlich auch. Doch die Beamten lassen das gerade vorbeifahrende Duo gewähren. Die Sonne scheint und produziert im Körper den Stimmungsaufheller Serotonin. Also kein Grund für unnötigen Stress. Da Serotonin auch den Antrieb fördert, macht sich die Streife wieder auf den Weg.

„Über die Sicherheitslage stets informiert“, flachst eine Jongleurin am Wegesrand. Stören sie die Polizisten im Park? Das schon, und seit die Bauarbeiten begonnen haben, meiden sie und ihr Freund aus Winterhude die Schanze lieber: „Im Stadtpark ist weniger Polizei.“ Ihre Witzelei allerdings galt einem Geschäftsmann mit Krawatte und Aktenkoffer. Für sie ein Repräsentant der „Patrizier“, denn die Augsburger Firma Patrizia Projektentwicklung betreibt den 40 Millionen teuren Umbau des Wasserturms in ein Vier-Sterne-Hotel. Zwar glauben die beiden Winterhuder nicht daran, den Hotelbau noch stoppen zu können, an den Demonstrationen dagegen nehmen sie aber noch teil.

Der kleine Ballspieler hat sich inzwischen neue Freunde gesucht – sie haben eine erfreulich große Menge Bälle. Doch die Männerrunde der Bocciaspieler lässt sich weder vom Kind noch von der Polizei beeindrucken. „Wir sind zufrieden“, nuschelt ein Spieler, der gerade zum Wurf ausholt. „Mit dem Hotel da haben wir nichts zu schaffen.“ Damit ist das Thema für ihn gegessen, und das Spiel steht wieder im Mittelpunkt.

Zwischen Langeweileund Willkür

Die Streife verschwindet langsam aus dem Blickfeld der Parkbesucher. Die Baustelle bleibt. „Ich fühle mich verarscht“, erklärt ein 25-Jähriger aus Borgfelde, der auf einer Decke sitzt. „Der Wasserturm sollte eigentlich zu 50 Prozent öffentlich genutzt werden.“ Nun fürchtet er, dass auch die Parknutzung ab 2006, wenn das Hotel fertig ist, noch stärker eingeschränkt wird. Von der so genannten Wasserturm-Million, die Patrizia als Ausgleich für die nicht erfolgende öffentliche Nutzung für soziale und kulturelle Projekte in der Schanze zur Verfügung stellte, hat er noch nie etwas gehört – geschweige denn gemerkt.

Dafür spürt er die Präsenz der Polizei, auch wenn kein Uniformierter zu sehen ist. Er werde ständig von Zivilpolizisten angequatscht, ob er Gras zu verkaufen hätte. Woran er sie erkennt? Es sei einfach zu offensichtlich, früher hätte ihn niemand angesprochen.

Der Kinderfreund nebst Kollege ist am Ausgangspunkt angekommen und begrüßt die gelangweilt scheinenden Beamten im Einsatzwagen. Er streckt sich, steigt hinters Steuer und braust in Richtung Messe davon. Eine unbekannte Zahl von Polizisten, in Zivil, Uniform oder Kampfmontur, bewacht weiterhin den Park. „Ich fühle mich richtiggehend bedroht“, erklärt eine 28-jährige Anwohnerin, die hier mit ihrer Hündin Gassi geht. „Neulich wollte ich den Hügel zum Zaun hochgehen, da stürmten gleich mehrere Polizisten in Kampfmontur auf mich zu und hinderten mich am Weitergehen.“ Ist es verboten, an den Zaun heranzutreten? In dem Punkt haben die Beamten, auch laut Pressestelle, das Recht nicht auf ihrer Seite.