Ermittlungsergebnisse belasten Jörg Tauss weiter

STRAFVERFAHREN Der Ex-SPD-Abgeordnete soll gezielt nach Kinderpornos mit Jungen gesucht haben

„Ich habe diese Bilder nicht sexuell gebraucht“

Ex-SPD-Politiker Jörg Tauss

BERLIN taz/dpa | Bisher unveröffentlichte Ermittlungsergebnisse belasten den Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss offenbar schwerer als bisher vermutet. Wie das ARD-Magazin „Report Mainz“ berichtet, ist die Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass er sich Kinderpornografie beschafft hat, um sich damit sexuell anzuregen. Tauss bestreitet dies und besteht nach wie vor darauf, als Internetexperte seiner damaligen Fraktion verdeckt in der Szene recherchiert zu haben.

Laut Anklageschrift soll der ehemalige SPD-Politiker gezielt nach Kinderpornos mit Jungen gesucht und das entsprechende Material bestellt haben, berichtet das Magazin. Bei den gefundenen Dateien soll es unter anderem auch um Darstellungen von Oral- und Analverkehr gehen. Die Ermittler schätzten das Alter der Kinder laut der ARD-Recherchen in vielen Fällen auf sechs Jahre, in einem Fall sogar nur auf ein bis zwei Jahre.

Außerdem sprächen die Fundorte der im März in der Berliner Dienstwohnung von Tauss sichergestellten DVDs und des Handys mit den kinderpornografischen Dateien für eine private Nutzung, berichtet „Report Mainz“ weiter. Die Ermittler hätten zwei DVDs in einem Regal hinter Büchern versteckt gefunden, eine weitere habe sich in der Innentasche eines Jacketts befunden, das in einem Kleiderschrank hing. Das Handy habe Tauss in einem Koffer im Schlafzimmer aufbewahrt. Im März hatte Tauss noch öffentlich erklärt, er habe „das erhaltene Material in einen Koffer verpackt und in meiner Dienstwohnung weggeräumt“.

Tauss sagte der taz auf Anfrage, er habe sich die meisten der angeblich nur briefmarkengroßen Bilder gar nicht angeschaut und wisse daher auch nicht, wie alt die Kinder darauf gewesen seien. „Ich habe diese Bilder nicht sexuell gebraucht“, sagte er. Tauss bleibt bei seiner bisherigen Darstellung, dass er in der Kinderpornoszene recherchiert habe, um mehr über die Vertriebswege zu erfahren. Mit seinen Ergebnissen habe er einen Kinderporno-Ring sprengen wollen.

Tauss’ Anwalt Jan Mönikes beklagte gegenüber der taz erneut eine „mediale Vorverurteilung“ seines Mandanten, die „offensichtlich von Seiten der Staatsanwaltschaft befördert wird“. Das Thema werde aus politischen Gründen in der Woche vor der Bundestagswahl neu aufgekocht.

Die Staatsanwaltschaft wollte sich am Dienstag nicht zu dem Verfahren äußern.

Tauss war nach Bekanntwerden der Vorwürfe im März von allen seinen Ämtern bei der SPD zurückgetreten. Ende Juni verließ er die Partei, unter anderem aus Protest gegen ein Gesetz, das Internetsperren ermöglicht, und trat der Piratenpartei bei.

Der Bundestag hatte vor zwei Wochen die Immunität von Tauss aufgehoben und damit den Weg frei gemacht für eine Anklageerhebung gegen den Bundestagsabgeordneten. Das Landgericht Karlsruhe hat noch nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden.

WOLF SCHMIDT