wortwechsel
: Impfstoffverteilung, Sprache, Atomkraft

Bestimmt Wirtschaftsmacht die Impfstoffverteilung? Lieber deutsche Grammatik pflegen als Sprachprojekte. Atomenergie nachhaltig wie Windenergie trotz Endlagerproblematik?

Es strahlt so schön in Grohnde Foto: Julian Stratenschulte,dpa

Hilft nur der Wirtschaft

„Experiment bald zu Ende?“,

taz vom 30. 3. 21

Als Bewohnerin der Stadt Tübingen verärgert mich dieses Projekt extrem, und ich fühle mich von meiner Landesregierung verraten und im Stich gelassen. Ja, es hilft der Wirtschaft; ja, es gibt etwas „Normalität“. Aber der Dank an die BewohnerInnen ist eine größtenteils maskenlosen Masse an Menschen, die in langen Schlangen an Teststellen, vor Geschäften oder Gaststätten/Cafés anstehen, überall in der Sonne ohne Maske rumflätzen sowie unzählige Staus verursachen. Im Zickzackkurs darf ich Arztbesuche oder Lebensmitteleinkäufe erledigen. Das muss nicht sein. Ist das die Art, wie man all den Pflegekräften, den Ärzten und dem Reinigungspersonal in der Klinik für ihren Einsatz dankt?

Melanie Kühbauch, Kusterdingen

Impftempo

„Zahlen steigen, Politik wartet“,

taz vom 30. 3. 21

Das Impftempo in Deutschland lässt sich ganz einfach beschleunigen: Solange nicht der/die letzte Impfwillige in Deutschland geimpft ist, darf kein/e Regierungschef/in und kein/e Minister/in aus Bund und Ländern an einer Talkshow im TV teilnehmen.

Udo Endrigkeit, Bremen

Solotänzchen

„Ihr Ziel sind 50.000 Stimmen“,

taz vom 28. 3. 21

„Es bleibt nicht mehr viel Zeit, die ­Klimakatastrophe aufzuhalten.“ Einige in der FFF-Bewegung scheinen ihre eigenen Aussagen nicht ernst zu nehmen. Denn wenn nicht mehr viel Zeit bleibt, dann ist erst recht keine Zeit mehr für sektiererisches und egozentrisches Verhalten. Die Kandidatur der Klimaliste in Baden-Württemberg hat wahrscheinlich dazu geführt, dass für eine grün-rote Regierung ein paar Stimmen fehlten und nun die FDP oder CDU mit in die Landesregierung kommt. Sicherlich nicht besonders hilfreich im Kampf zur Erreichung der Klimaziele.

In Potsdam will nun Frau Lu Yen ­Roloff ihre und die Kraft ihrer Unterstützer in ein aussichtsloses Rennen stecken. Wer neben dem außerparlamentarischen Kampf kurzfristig parlamentarisch für das Klima was erreichen will, der muss als Mitglied der Grünen, SPD oder Linken innerparteilichen Druck machen, für Parteigründungen und Solotänzchen bleibt keine Zeit.

Bernhard Lupfer, Berlin

Leerstände in Visier

„Immobilien werden teurer“,

taz vom 30. 3. 21

Zur Frage der Wohneigentumsquote und der Teilhabe ist anzumerken, dass es in der Bundesrepublik traditionell eine tiefe Spaltung entlang der Linie von Besitz und Herkunft gibt. Markt und Finanzierung sind Treiber unsäglicher Wertzuwächse, weil mit Immobilienbesitz Kapital gebunden wird. Genossenschaftliches Wohnen ist in Deutschland unterrepräsentiert, sinnvolle Wohngemeinschaften wie die von Henning Scherf („Bremens bekannteste Greisen-Kommune“) sind noch Raritäten, die Ideen von neuen Wohnkonzepten sind manchmal wenig praktikabel. Leerstände in Metropolen, zur Spekulation oder Vermeidung von Abnutzung (Einliegerwohnungen), sind vielen gewissenhaften und verantwortungsbewussten So­zi­al­po­li­ti­ke­r:in­nen ein Dorn im Auge.

Zweifelhaft ist die Wirkung der Diskussion über Zersiedelung und Neubausiedlungen. Vielleicht politisch mit Verve und Wums die Leerstände von Immobilien absichtsvoll ins Visier nehmen!

Martin Rees, Dortmund

Formale Gleichheit

„Das Normale ist politisch“,

taz vom 31. 3. 2021

Das Problem identitärer Politik ist doch nicht, dass sie „Normalos“ verschrecken könnte. Es ist der Inhalt. Wenn Spre­che­r*in­nen nach sexueller Identität, Hautfarbe, Alter und was sonst noch alles beurteilt und eingereiht werden, fallen wir zurück hinter eine basale Errungenschaft der bürgerlichen Gesellschaft: die formale Gleichheit. Trotz gegenläufiger bester Absichten: Wenn nur Schwarze für Schwarze und nur Weiße für Weiße sprechen sollen, kommen wir dem Ethnozentrismus der neuen Rechten – Afrika den Afrikanern, Franzosen für Franzosen, Deutsche für Deutsche – bedenklich nahe.

Ulrich Schachtschneider, Oldenburg

Sprache pflegen

„Eine Frage der Haltung“,

taz vom 31. 3. 21

Ich habe selber Romanistik und Ger­manistik studiert und bin daneben schon immer für die Emanzipation eingetreten. Dennoch stört es mich ­ÜBERHAUPT NICHT, wenn man zum Beispiel Lehrer sagt. Abgesehen davon erreicht man die Anerkennung der Ge­sellschaft nicht durch die Vergewaltigung beziehungsweise Verhunzung der Sprache. Die drückt sich anders aus. Wie weit man von der Emanzipation auch noch im Jahr 2021 weg ist, sehen wir alle im täglichen Leben, von Geschlechtervielfalt ganz zu schweigen. Also bitte keine weiteren „Wortfindungsstörungen“; pflegen wir neben der Grammatik doch bitte erst mal die deutsche Sprache, nicht „in 2021“, sondern im Jahre 2021. Das hat Sinn und „macht“ keinen.

Yvonne Corts, Leipzig

Das Wohl des Kindes

„Vom Recht, Mutter zu sein“,

taz vom 24. 3. 21

Der Artikel hat mich angesprochen, aber ich spüre auch ein Unwohlsein. Warum?

Ich finde, dass das Kind und das Wohl des Kindes nicht wirklich im Mittelpunkt stehen. Der Artikel beschreibt nicht „Paula hat zwei Mütter“, sondern „Wir wollen beide Paulas Mütter sein“. Die Realität ist doch, dass die dritte Frau, nämlich die tatsächliche leibliche Mutter, die den Embryo gespendet hat, und der leibliche Vater, der den Samen gespendet hat, außen vor bleiben.

Meiner Meinung nach sollte es (wie bei Adoptionen) eine Abstammungsurkunde mit den leiblichen Eltern geben, aus der das Kind dann auch seine Herkunft erfahren kann. Wir wissen aus eigener Erfahrung mit drei adoptierten Kindern, wie wichtig das für die Kinder ist. In die spätere „Geburtsurkunde“ können dann die „aktuellen“ Eltern eingetragen werden. Entscheidend für ein Kind ist nicht, wer als Mutter oder Vater in einer Urkunde steht und sich stolz so nennen kann, sondern wie viel gemeinsame Zeit und Zuwendung das Kind im Alltag erlebt.

Rudolf Gumberger, Rosenheim

Dreckige Energie

„Atom ist so grün wie Windkraft“,

taz vom 30. 3. 21

Atomenergie kann und wird niemals mit anderen Formen der Energieerzeugung vergleichbar sein, nicht mal mit der dreckigen Stromerzeugung in Kohlekraftwerken. Atomenergie muss hinsichtlich des gesamten „Lebens“-Zyklus dieser Art Stromproduktion betrachtet werden. Die notwendige und auch vorgeschriebene sichere Endlagerung von Atommüll durch Isolation über einen Zeitraum von mindestens einer Million Jahre zeigt auf, dass dieser Wahnsinn mit nichts anderem vergleichbar ist. Ein sicheres Endlager existiert nirgendwo auf der Welt und kann auch nicht gefunden werden.

Raimund Schorn-Lichtenthäler, Datteln

Und Jean Paul?

„Das Wunder von Wunhenge“,

taz vom 30. 3. 21

So weit ist die Naziverblödung in den Köpfen der deutschen Bildungselite inzwischen gediehen, dass uns zum Stichwort „bedeutende Wunsiedler“ nicht mehr unser geliebter Romancier und Dichterfürst Jean Paul einfällt und nicht einmal der Apotheker Vetter mit seinem Kräuterlikör Sechsämtertropfen, sondern nur die absolut hohle Nuss in der Naziführung, der „Stellvertreter des Führers“ Rudolf Heß.

Rainer Kippe, Köln