Vor 14 Jahren in der taz: Formale Demokratie und Entwicklung in Afrika
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Die Entwicklungspolitik befindet sich gegenwärtig in einer Situation der Perspektivlosigkeit. Der Glaube, durch mehr Wachstum und den trickle down effect, das Durchsickern des Wohlstandes von oben nach unten, könnten ganze Gesellschaften modernisiert werden, ist verloren gegangen. Selbst die Weltbank erkennt in ihrem neuesten Bericht an, dass viele Entwicklungsländer, besonders in Schwarzafrika, in einem Teufelskreis der Armut stecken. Stagnierendes Wirtschaftswachstum, fallende Realeinkommen auch in Teilen der Mittelschicht, zunehmende Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten, sinkende Agrarproduktivität, zunehmende Verschuldung – das ist die heutige Realität in Ländern, die oft zusätzlich unter politischer Instabilität, Krieg, Hunger und Dürre leiden. Bei abnehmenden Exporterlösen und dem Zwang zur Zinszahlung sind viele afrikanische Länder nicht mehr in der Lage, dringend benötigte Investitionsgüter einzuführen.

Viele afrikanische Länder schreiben die Schuld für die katastrophale Lage den Industrienationen zu. Die Industriestaaten hingegen beschuldigen die afrikanischen Regierungen, sich nicht konsequent an die Regeln der Marktwirtschaft gehalten zu haben. Weder die eine noch die andere Beschuldigung führt jedoch zum Kern des Problems. Beide setzen Entwicklung mit Wachstum gleich.

Entwicklung, wie sie auch immer definiert wird, beeinflusst die Menschen. Bestimmten Menschengruppen dienen als ideologisches Vorbild für neue kulturelle Normen, die in die Gesellschaft übertragen werden. Grundlage des entwicklungstheoretischen Denkens sind die Lehrbücher, mit denen diejenigen ausgebildet werden, die später als Technokraten und Bürokraten in den Ministerien über das Schicksal ihrer Länder entscheiden. Und indem die neue Bürokratie und die alte Elite die gesellschaftliche Produktion gemeinsam verkonsumieren, lähmen sie die wirtschaftliche Entwicklung. […]

Die bisherige Entwicklungsdiskussion geht an diesen entscheidenden Faktoren vorbei. Ach die Forderung nach Einführung einer formalen Demokratie, ohne Veränderung der Strukturen des Staates, ist kein Weg zu einer Demokratisierung der Gesellschaften Afrikas, ohne die keine wirtschaftliche Entwicklung denkbar ist.

Fekado Bekele, 16. 7. 1991