Rache für die Wirtschaftskrise

Hippen empfiehlt: „Louise Hires A Contract Killer“ von Benoît Deléphine & Gustave Kervern ist in seiner anarchistischen Rigorosität die passende Komödie für unsere Zeiten

Der Humor dieses Films ist tiefschwarz und die Titelheldin sowie ihr tollpatschiger Angestellter nehmen keine Gefangenen

Von Wilfried Hippen

In Frankreich wird mit ganz anderen Bandagen gegen Entlassungen und Betriebsstilllegungen gekämpft. Da werden Werksgelände besetzt, Manager von der Belegschaft als Geiseln genommen und damit gedroht, eine Fabrik mit Gasflaschen in die Luft zu sprengen. Aus diesem revolutionären Geiste ist der Film „Louise-Michel“ erwachsen, der seltsamerweise in Deutschland mit einem englischen Titel in die Kinos kommt – aber dafür bringt dieser die Sache auch schön auf den Punkt.

Die Titelheldin ist eigentlich eine ganz friedliche, resozialisierte Mörderin, die in einer Textilfabrik zufrieden ihrer stumpfen Arbeit nachgeht und gerne mit ihren Kolleginnen plaudert. Diese proletarische Idylle wird dadurch beendet, dass eines Morgens die Halle mit den Nähmaschinen leer geräumt ist. Sie wurden nach China verschifft und die Firma ist schon stillgelegt. Mit einer mageren Abfindung in der Tasche und viel Wut im Bauch schimpfen die Arbeiterinnen auf ihren Boss und nun kann Louise auf die Erfahrungen aus ihrem früheren Leben zurückgreifen. Wenn sie alle ihre paar Euro Abfindung zusammenlegen, könnten sie sich ja einen Profikiller mieten, der den Profiteur in eine permanente Baisse schickt.

Die phlegmatische Louise nimmt die Sache in die Hand und findet auch gleich auf der Straße einen Mann, dem eine Pistole aus der Tasche fällt. Dieser Michel wird also angeheuert und die Tatsache, dass er selber keiner Fliege etwas zuleide tun kann, hindert das Paar nicht daran, Furcht und Schrecken unter den Mächtigen zu sähen. Denn der Boss hat natürlich auch einen Boss und auch der soll die mächtige Hand der Näherinnen spüren.

Benoît Deléphine und Gustave Kervern sind in Frankreich bekannte Fernsehkomiker, die unter anderem die satirische Puppensendung “Guignols de l‘info“ entwickelt haben. Deshalb ist statt des etwas weiteren dramaturgischen Bogens eher die kurze Form des Sketches ihre Stärke. Dies haben sie schon in ihrem Kinodebüt „Aaltra“ bewiesen, in dem Behinderte von Belgien nach Helsinki fuhren und auf der Straße von einem bizarren Abenteuer in das nächste geraten.

Auch ihr inzwischen dritter Film erzählt eher in abgeschlossenen Szenen, die jeweils bis zu ihrer absurdesten Konsequenz durchgespielt werden. Ein ordentlicher Drehbuchautor hätte wohl mindestens die Hälfte der Absurditäten wieder aus dem Skript gestrichen, denn es mag ja noch angehen, dass Louise und Michel sich für ihren Rachefeldzug tödlich Kranker bedienen, die jeweils froh darüber sind, dass sie noch einen reichen Gesunden ins Jenseits mitnehmen können.

Aber wenn in die Geschichte dann auch noch ein Subplot eingezogen wird, nachdem Louise eigentlich ein Mann und Michel eigentlich eine Frau ist, dann kann man schon mal fragen, ob dies der eigentlichen Geschichte noch zuträglich ist.

Aber diese Verwicklungen machen das komische Paar eben noch komischer, und bei einer Komödie zählen die Lacher und nicht die erzählerische Geschlossenheit des Werkes. Weil der gesamte Film so radikal von einer anarchistischen Rigorosität durchdrungen ist, wäre eine klassische Erzählhaltung im Grunde ja sogar ein Stilbruch.

So ist es also nur konsequent, wenn man oft in diesem Film erst einmal schlucken muss, um dann erst Lachen zu können. Der Humor dieses Films ist tiefschwarz und “Louise-Michel“ nehmen keine Gefangenen. Dabei verziehen sie übrigens nie eine Mine und gehören somit zur Schule der so genannten „stone-faces“, die eine der seit Buster Keaton immer noch effektivsten komischen Techniken anwendet.