„Ich bin für einen Systemwechsel“

SUBVENTIONSSTREIT Thomas Straubhaar empfiehlt Theatergutscheine statt Subventionen. Der Leiter eines marktliberalen Wirtschaftsinstituts will damit für eine gerechtere Verteilung der Fördermittel sorgen

■ ist Schweizer und seit 2005 wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts.Foto: privat

taz: Herr Straubhaar, im Hamburger Abendblatt haben Sie die Streichung der Theatersubventionen gefordert.

Thomas Straubhaar: Eins vorweg: Theater erfüllen eine unglaublich wichtige Rolle. Aber die Frage bleibt: Wird durch die heutige Subventionierung das erreicht, was man mit dem Geld gerne möchte, nämlich für eine breite Masse das kulturelle Angebot anzubieten, was deren Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche trifft?

Vielleicht geht es dem Theater nicht um das breite Publikum, sondern darum, eine Sphäre aus der Verwertungslogik des Kapitals herauszuhalten.

Wunderbar. Deshalb will ich auch nicht das öffentliche Geld für die Kultur streichen, sondern ich würde es nur anders den Theatern zukommen lassen, nicht von oben durch eine Behörde, sondern von unten: über die Abstimmung der Kunden.

Wie soll das aussehen?

Dafür würde man an alle, jung und alt, personell gebundene Kulturgutscheine verteilen können, die dem Besucher erlauben, umsonst in ein Theater seiner Wahl zu gehen.

Führt das nicht zu Populismus? So dass nur noch Stücke auf die Bühne kommen, von denen man annimmt, dass sie gern gesehen werden?

Gegenfrage: Ist das nicht heute auch der Fall? Jetzt muss das gespielt werden, was der Behörde gefällt. Und wer kann letztlich sagen, welche Kultur zu fördern ist?

Eine, von der die öffentliche Hand Relevanz für irgendwelche Werte erwartet, und die entdeckt sie vor allem in einer bildungsbürgerlichen Tradition.

Das widerspricht meinem Verständnis einer ergebnisoffenen, sozialkritischen Herangehensweise. Wir sollten Kultur nicht nur für Bildungseliten anbieten, sondern die größtmöglichen Anreize geben, dass alle an ihr teilhaben. Wie oft kann sich wohl eine alleinerziehende Mutter auf Harz-IV das Theater leisten?

Naja, für sechs Euro bekommt man schon mal eine Karte. So günstig gibt es sonst nirgendwo Unterhaltung.

Und trotzdem sprechen die Theater damit nicht die bildungsfernen Schichten an. Was mit den Gutscheinen anders wäre. Ich bin da für einen Systemwechsel.

Der zu mehr Gleichheit…

Und zu mehr Wettbewerb führt. Aber auch zu mehr Basisdemokratie, in dem gerade kleine, neue Formen der Kulturschaffenden eine Chance haben, erstmals staatliche Förderung zu bekommen.

Das klingt experimentell ...

Kein Widerspruch, kein Widerspruch.

weil doch dahingestellt ist, ob die Leute nicht doch wieder in die großen Häuser laufen ...

Richtig. Darum verstehe ich auch die Aufregung in den großen Häusern nicht, die defensive Haltung, mit der etwa im Abendblatt Thalia-Intendant Joachim Lux auf den Vorschlag geantwortet hat. Ich glaube, dass sich die großen Häuser auch mit den neuen Finanzierungsformen durchsetzen werden, weil sie ja wirklich ganz hervorragende Arbeit leisten. Genau deswegen könnten sie sich ohne Sorge diesem Wettbewerb stellen. INTERVIEW: MAXIMILIAN PROBST