Die Wahrheit: Kopfschmerzen für Jogi
IslaRumNoma – drei Länder, ein Gegner: Deutschlands Fußballnationalmannschaft und der Alkohol. Für die kommenden Partien bleibt es feuchtspannend.
Island, Rumänien und Nordmazedonien, was haben diese drei Länder gemeinsam? Ihre Nationalelfen haben ab morgen die Ehre, in der WM-Qualifikation gegen die deutsche Mannschaft antreten zu dürfen. Dabei sind das alles keine Länder, die eine „Sonderstellung“ (K.-H. Rummenigge) genießen, trotzdem ist das „eine wichtige Geschichte“ (U. Hoeneß). Außerdem eröffnet sich uns die „Schangse“ (F. Beckenbauer), Nationen besser kennenzulernen. Das ist noch mit das Beste an internationalen Wettbewerben: Kostenloser Geografieunterricht.
Weiterhin darf niemand ins Stadion, ergo erachten wir es als unsere nationale Pflicht, unser Volk auf diese drei Länder ausgiebig vorzubereiten. Da wir es mit Fußball zu tun haben, beschäftigen uns in erster Linie die Trinksitten der gegnerischen Länder, welche Leser zur optimalen Vorbereitung zu Hause im Maßstab eins zu eins nachspielen können. Aber hübsch der Reihenfolge nach:
Island, 25. März: Es ist eine Mär, dass diese Wikinger nur auf Isländisch Moos gut spielen, also Obacht! Rasen gibt es überall genug, oder anders formuliert: Als Minister für das Forstwesen hätte man in Island so gut wie nichts zu tun. Alkoholisch betrachtet ein absolutes Entwicklungsland.
Im Jahr 1915 hatten die männlichen Insulaner ein absolutes Alkoholverbot durchgesetzt, Frauen durften damals noch nicht abstimmen und hätten sicher am Ergebnis nichts geändert. Daher wanderte erst 1989 das erste richtige Bier über die Theke, vorher war nur Leichtbier mit maximal zwei Prozent ausgeschenkt worden. Auf der ganzen Insel gilt im Straßenverkehr eine Promillegrenze von 0,5 – und die Strafen sind hoch, da heißt es: Aufgepasst, wenn man mit dem gemieteten Wikingerauto über die Schotterpisten braust.
Skál für alle!
Bis 1989 also mussten sich die Isländer mit Spirituosen behelfen, die nur im staatlichen Schnapsladen Vínbuđin zu beschaffen waren, der mit bizarren und teils spontanen Öffnungszeiten die Kundschaft eher abschreckte. Also brannte man selbst, allen voran den „Brennivín“, bekannt unter dem anheimelnden Namen „Schwarzer Tod“, nicht nur wegen der Totenkopfaufkleber auf der Flasche: Ein Kümmelschnaps mit Kartoffelaroma, eventuell auch umgekehrt. Skál!
Rumänien, 28. März: Rumänien ist ein romanisches Land, da sollte die Espresso-Versorgung für Jogi Löw gesichert sein, ein schöner Abschluss zum Karriereende. Die Deutschen mögen die Rumänen ganz gern, solange sie Alexandra Maria Lara oder Peter Maffay heißen.
Immerhin: Im Landesnamen ist gleich bei den ersten drei Buchstaben ein alkoholisches Getränk versteckt, das überraschenderweise aber kaum eine Rolle spielt beim Konsumverhalten. Niemals sollte man das Wort „Prost“ in den Mund nehmen, im Rumänischen bedeutet das „Idiot“. Das Zauberwort heißt: „Noroc!“ An keinem Ort der Welt hört man den Ausruf öfter als im Bukarester Brauhaus Caru’cu Bere – auf deutsch „Bierwagen“.
Die Allzweckwaffe der Rumänen heißt „Țuică“, ein Schnaps, meist selbst gefackelt und in formschönen antiken 1,5-Liter-Plastikflaschen gereicht, der aus verschiedenen Pflaumensorten gebrannt wird und nebenberuflich als Desinfektionsmittel unterwegs ist. Eine Nummer härter ist der „Pufoaică“ – die Schilderung seiner Zubereitung würde die Grenzen des guten Geschmacks sprengen. Noroc!
Mordnazedonien beinhart
Nordmazedonien, 31. März. Dienstältester Beitrittskandidat der EU, seit 20. März 2020 immerhin in der Nato, also dürften sie mittlerweile über eine beinharte Verteidigung verfügen. Aber, keine Bange, das Land heißt ja nicht Mordnazedonien.
Wein schnabulieren sie schon ganz gern, aus den drei Anbauregionen Povardski, Pcinsko Osogovski und Pelagonijsko-Poloski, man bevorzugt komplizierte Namen. Zirka 665.000 Hektoliter produzierte man zuletzt davon, aber in den Regalen Westeuropas hat man nie auch nur eine einzige Flasche zu Gesicht bekommen – warum? Weil der Wein, bevorzugt Rotweinsorten wie Vranec, Prokupac und Kratosija, bereits vor der Grenze die Kehlen der Einheimischen herabgeflossen ist.
Im Land kriegt man brauchbare Sorten schon ab zwei Euro. Allerdings nicht im Supermarkt nach 19 Uhr (Sommer) und 21 Uhr (Winter) – um die Trunksucht einzudämmen. Über den Frühling ist nichts bekannt, und der Herbst heißt ohnehin anders, nämlich Schnapsbrennsaison. Dank eines muslimischen Anteils von 33,3 Prozent an der Bevölkerung ist das Alkoholproblem allerdings nicht ganz so gravierend wie beispielsweise in Serbien. Der Nordmazedonier hält sich lieber an das Sprichwort: „Veća glava više glavobolje“ – „Größerer Kopf, mehr Kopfschmerzen.“ Ovacii!
Drei Länder, ein Gegner. Mit dieser hochprozentigen Hochrechnung wird das deutsche Team hoffentlich nicht wie gegen die Spanier zuletzt null zu sechs absaufen.
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