Kegler auf der schiefen Bahn

1.000 Zuschauer sahen sich bei den World Games den Damen-Wettbewerb im Sportkegeln an. Einen Weltrekord konnten sie nicht bejubeln, denn den „gab die Bahn nicht her“, klagt die Siegerin

„Wer alle Neune treffen will, sollte besser Wasser trinken“

AUS DUISBURGROLAND LEROI

Elgin Justen genoss die Minuten im Rampenlicht. Gerade hatte die Sportkeglerin aus Brühl bei den World Games die Gold-Medaille im Damen-Einzel gewonnen und wurde von einer Traube wissbegieriger Medienvertreter eingenommen. „So viele Journalisten wollten noch nie etwas von mir wissen, das sind einfach tolle Augenblicke“, sagte die 27-Jährige, die später auch bereitwillig für Fotos Stellung bezog. Von den Tribünen der Sporthalle an der Krefelder Straße, in der früher der Handball-Bundesligist OSC Rheinhausen aufspielte, applaudierten knapp 1.000 Zuschauer. „Gigantisch, ein so großes Publikum kommt sonst das ganze Jahr nicht zu meinen Spielen“, meinte Justen.

„Auf dieses Ereignis habe ich lange hingearbeitet, schon die Eröffnungsfeier war herausragend“, sagte die Diplom-Heilpädagogin, die inmitten der über 3.000 teilnehmenden Athleten in die MSV-Arena einzog. IOC-Präsident Jacques Rogge wollte dabei „den Enthusiasmus in den Gesichtern der Sportler“ gesehen haben. Justen mochte dem nicht widersprechen. Vor fünf Jahren sei sie bei den Olympischen Sommerspielen in Sydney als Zuschauerin dabei gewesen. „Damals herrschte in der ganzen Stadt ein Olympiafeeling, jetzt verbreitet sich in Duisburg eine ähnliche Atmosphäre. Das macht Spaß“, meint die Athletin, die dennoch unerkannt übers World Games-Gelände ziehen kann.

Justen hat dabei schon alles erreicht, was möglich ist. 2003 wurde sie Weltmeisterin und vor zwei Monaten warf sie bei der Europameisterschaft in Hagen sogar einen Weltrekord: 903 von 1.080 möglichen Hölzern. „So einen Tag erlebst du nie wieder“, sagt die Frau, die bei einem Wettbewerb 120 Wurf verteilt auf vier verschiedene Bahnen absolviert. In Hagen reichte der Weltrekord natürlich zum Titel – und viele Insider meinen, dass nur Justen selbst diese Marke noch mal übertrumpfen könne.

Zumindest in Duisburg gelang ihr das nicht, aber einen Weltrekord hatte Justen ohnehin nicht im Visier. „Das gab die Bahn nicht her“, erklärte sie. Jede Kegelbahn wird speziell hergestellt und gekehlt. Die Abweichungen sind minimal, aber oft entscheidend. „Man braucht einige Würfe, um sich an die jeweilige Anlage zu gewöhnen“, glaubt Justen. Überhaupt sei das „Lesen von Kegelbahnen eine Wissenschaft für sich“. Damit sich das Holz der Bahnen nicht verzieht, musste die Klimaanlage in Duisburg ausgeschaltet bleiben.

„Leider war die Bahn so angelegt, dass Rekorde von vornherein nicht möglich waren. Da hat der Veranstalter gepennt“, schimpfte Knut Martini, der als Deutscher Meister im Paarkegeln und Hallensprecher aus dem Nähkästchen plauderte. Andere Bahnen seien derart manipuliert, dass die Kegel leichter fallen. Regelkonform sei es, wenn die Gewichte im Kopf der Pins anders verteilt seien. „Auf den World Games-Bahnen fiel das Hinterholz aber oft gar nicht“, stellte Martini fest.

Die Zuschauer hat es trotzdem fasziniert, wenn Elgin Justen und ihre Konkurrentinnen die knapp drei Kilogramm schweren Kugeln warfen. Als Ausnahmekeglerin hatte sich die spätere Siegerin schnell an die Bahn gewöhnt und schmiss geradezu am Fließband „alle Neune“. Mitgezählt habe sie dabei allerdings nicht. „Wenn ich im Rhythmus bin, werfe ich einfach drauf los und versuche locker zu bleiben“, sagt Justen, die zwei Mal wöchentlich trainiert, eine Menge Ausgleichssport betreibt, um ihr Niveau zu halten und mit ihrem Partner Holger Mayer im Mixed eine zweite Gold-Medaille abräumte.

Doch es sei nicht nur das Training, dass sie vom Hobbykegler, der einmal monatlich auf die Bahn seiner Stammkneipe geht, unterscheidet. „Das kann man nicht vergleichen“, meint Justen. Sportkegeln sei eben Leistungssport. Das Klischee, wonach Bier und Kegeln zusammen gehören, nerve sie gewaltig. „Wer alle Neune treffen will, sollte besser Wasser trinken“, sagt sie.