Unterwanderung findet nicht statt

Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr gezählt. Für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.

Auch die NPD bereitet sich auf die Bundestagswahl vor. Im Norden haben die Landesverbände auf eilig einberufenen Parteitagen ihre Kandidaten bestimmt. Über die vom NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt und dem Kader der „Freien Kameradschaften“ (FK) Thomas Wulff vollmundig angekündigte Unterwanderung der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) verlautete dabei jedoch wenig.

Mitte Juni hatte Wulff auf rechten Websites noch erklärt: „Vermeintlich ‚linke‘ Sozialisten kommen bei der Analyse der politischen Seelenlage unseres Volkes nach […] einer alternativen Ordnung inzwischen schon wieder rechts raus“. Und die Aufforderung verbreitet, sich bei der WASG einzubringen. Anfang Juli jedoch schimpft der militante Neonazi mit NPD-Parteibuch auf einem Neonazimarsch in Schwerin, über die „Heuchler“. Ähnliches verkündete unlängst Voigt: Niemand würde „den Altmarxisten eine Lösung zutrauen“.

In Neumünster soll ein Rechter die WASG besucht haben. „Den haben sie gleich weggeschickt“, sagt Karlheinz Fahrenwald von der WASG Niedersachen. Laut Satzung darf niemand beitreten, der zuvor einer Organisation angehört hat, die „rassistisches, antisemitisches oder antidemokratisches Gedankengut verbreitet“.

Auch die Verfassungsschutzbehörden (VS) beobachteten im Norden bisher keine Unterwanderung durch Rechte. „Der Aufruf war ein Propagandaerfolg“, so die Sprecherin des VS-Niedersachsen. Dass es „bislang keine Erkenntnisse“ gebe, bestätigt auch der Chef des Hamburger-VS Heino Vahldieck. Die Programmatik der linken Wahlalternative sei „nicht mit rechtsextremistischen Vorstellungen vereinbar“, betont er und meint, „der Aufruf diente vorrangig der Selbstdarstellung“.

Befeuert hat die Diskussion der Ausdruck „Fremdarbeiter“ von Oskar Lafontaine, den nicht nur der Bremer Axel Troost, WASG-Bundesvorstand, als „nicht glücklich“ empfindet.Die NPD nutzt derartige Schlagworte, um sich als das „Original“ darzustellen, das schon immer gegen „Hartz IV“ gewesen sei. Die WASG dürfte zudem als störend bei der Selbstinszenierung als „soziale Protestpartei“ empfunden werden. Über den Protest hinaus reichen die Gemeinsamkeiten allerdings nicht: Beispielsweise propagiere die WASG, so ihr niedersächsischer Kandidat Herbert Schui, eine gerechte Einkommensverteilung, die für mehr Nachfrage und Beschäftigung sorgen soll. Die NPD dagegen wolle keine „Verteilungskonflikte mit der Unternehmerschaft“ führen.

Dass Rechte vielleicht links wählen, ist kein neues Phänomen. Schon 1929 offenbarte eine sozialpsychologische Studie von Erich Fromm, dass SPD- und KPD-Mitglieder „autoritäre Charakterstrukturen“ verinnerlicht hätten. Eine Studie von Richards Stöss zeigte 1993 einen weiteren Trend auf: Die meisten Personen mit rechten Ressentiments wählen SPD und CDU. Nur selten konnten Rechtsparteien daher das gesamte rechte Wählerpotenzial auf sich vereinen.