Schreiend zum Laufen bringen

Kamele haben ihren eigenen Kopf. Als Renntiere funktionieren sie nur, wenn sie auch wirklich Lust dazu haben. Laufen sie dann, bevorzugen sie dies im Zick-Zack-Stil, wie dass Kamelrennen auf der Galopprennbahn Hamburg-Horn zeigte

von Christian Görtzen

Selbst die spitzen Schreie ihrer Reiter können der Gleichgültigkeit in ihren Gesichtern nichts anhaben. Kamele haben ihren eigenen Kopf – entweder wollen sie rennen oder sie wollen es nicht. Haben sie sich erst einmal dazu entschlossen, sich sportlich zu betätigen, ist für den Jockey damit zwar das größte Problem ausgeräumt, aller Sorgen ledig darf er oder sie sich auf dem schwankenden Rücken des Wüstentieres dennoch nicht fühlen. Der geradlinige Weg zum Ziel scheint Kamelen oder Dromedaren, die es auf 50 km/h bringen können, schlichtweg zu unspektakulär zu sein. Und so hasten oder traben sie, ganz nach Gusto, mit Vorliebe in Zickzack-Linien dem Ziel entgegen. Dies war am Sonnabend beim Kamelrennen auf der Galopprennbahn in Hamburg-Horn bestens zu beobachten.

Für den Rennbahnsprecher, der den Zuschauern das Geschehen auf dem Turf näher bringen soll, bedeutet dies ein Höchstmaß an Konzentration. „Das Rennen hat begonnen“, rief er aufgeregt in sein Mikrofon, als in 1.000 Metern Entfernung zwei gelbe Flaggen geschwenkt wurden. Unwägbarkeiten sind während der hektischen, unübersichtlichen Startphase eines Rennens nicht weiter ungewöhnlich. „Ein Reiter hat sein Pferd, äh Kamel, bereits wieder verlassen. Ich sehe aber bisher auch nicht mehr als sie“, ließ der Sprecher das amüsierte Publikum wissen.

Insgesamt 24 Kamele und Dromedare gingen in Horn an den Start, einige darunter wurden von professionellen Jockeys aus Tunesien angetrieben. In Nordafrika sowie in der gesamten arabischen Welt nehmen Kamelrennen einen Stellenwert ein wie hier zu Lande der Fußball. Bis zu 50.000 Zuschauer kommen zu den Veranstaltungen in seiner Heimat, erzählt Ben Salem. Der 28 Jahre alte Tunesier lebt seit mehreren Jahren in der Schweiz und betreibt im Ort Schleitheim eine Kamelfarm.

In Hamburg hielt sich die Anzahl der Neugierigen zur Enttäuschung der Veranstalter stark in Grenzen. Annähernd 3.000 Besucher versammelten sich entlang der Zielgeraden der Rennbahn. „Es läuft nicht sehr gut. Wir haben deutlich zu wenig Zuschauer. 8.000 bis 10.000 hätten es sein sollen, die sind hier nicht. Es wurde wohl zu wenig Werbung für diese Pilotveranstaltung gemacht,“ haderte der Österreicher Werner Gassner, der bei der Organisation des Renntages half.

Während Gassner die Starterliste für das nächste Rennen zusammenstellte, übten sich auch die Jockeys in Demut. „Anders als Pferde lassen sich Kamele nicht lenken“, sagte Nadine Podleck. Die 25 Jahre alte Zahnarzthelferin reitet erst seit drei Wochen Kamele und Dromedare. In Hamburg ging sie für die „Marquardt Kamel-Ranch“ aus dem niedersächsischen Hiddingen an den Start. Mit ihrem vierten Platz im Vorlauf war sie trotz des damit verbundenen Ausscheidens zufrieden. „Das alles hier ist doch sowieso mehr Spaß, als dass es ein ernster, sportlicher Wettkampf ist“, sagte sie. Ihre Strategie klingt angesichts des etwas eigenen Wesens der Kamele und Dromedare schlüssig. „Ich schreie irgendetwas und hoffe, dass ich die Tiere dadurch zum Laufen bringe.“