die woche in berlin
: die woche in berlin

Das neue Polizeigesetz ist beschlossene Sache, mit einem Pilotprojekt will man es trotz Corona doch wieder mit etwas mehr Kultur in der Stadt versuchen, und die Rigaer 94 bleibt auch in Brandschutzfragen ein konfliktträchtiges Thema

Nicht mehr ganz so persönlich

Das Polizeigesetz sorgt für neuen Namen für die Behörde

Dass sich demnächst was ändern wird etwa im Briefverkehr, wo etliche Buchstaben entfallen werden, mag derzeit als eine recht randständige Angelegenheit zu bewerten sein. Ganz allgemein sowieso, weil es da statt um fehlende Buchstaben gerade mehr um Impfdosen und Testpackungen geht. Und auch beim Blick ins neue Polizeigesetz selbst, also dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz, das am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen wurde, scheint das wenig weitere Rede wert. Schließlich wurde da über die vergangenen Jahre hinweg mehr zum Beispiel um die Kennzeichnungspflicht für die PolizeibeamtInnen gerungen (die bereits besteht und nun gesetzlich verankert ist) oder um die sogenannten Bodycams (die PolizistInnen künftig tragen können). Und nicht um die Frage, wie die Polizei nun heißen soll.

Was einerseits also stimmt mit der Randnotiz. Und andererseits muss doch darauf verwiesen sein, dass in dem neuen Polizeigesetz jetzt eine ganz schön lange Tradition entsorgt wird, die immerhin bis ins Jahr 1809 zurückreicht, als das Amt geschaffen wurde.

Was wiederum andeuten mag, dass es allerhöchste Zeit war, endlich mal den Schlussstrich zu ziehen beziehungsweise die Buchstaben zu kappen.

Es geht um den Namen. Oben links auf diesen Briefen, die man eher selten sehnlich erwartet, weil der Inhalt eben oft ein bekümmerlicher ist, steht noch „Der Polizeipräsident in Berlin“. Das wird nun auf ein schlichtes „Polizei Berlin“ verknappt. Eine Namensänderung, die natürlich nicht nur für die Briefköpfe gilt.

Das mit dieser schon betont maskulinen Form ist wirklich aus der Zeit gefallen. Gar nicht erst, seit mit Barbara Slowik seit 2018 der Dienststelle erstmals eine Frau vorsteht. Eine Polizeipräsidentin.

Wobei der nunmehr überkommene Name gar nicht eine Person hervorheben will, sondern ganz allgemein eben die Behörde bedeutet. Der Polizeipräsident in Berlin, das ist keine einzelne Person, das ist der ganze Laden.

Wenn der jetzt schlicht und schnörkellos so heißt, wie er immer schon genannt worden ist, also einfach Polizei, kann man eigentlich gar keine Einwände haben.

Nur dass es dann halt vorbei sein wird mit der Vorstellung beim Betrachten der besagten Briefe, beim Blick auf den Absender, dass da ein Präsident persönlich, man mag sich die Person gern älter und möglicherweise mit einem Zwicker auf der Nase vorstellen in ihrem mit Holz getäfelten Büro …, dass diese Person den Brief noch wägend in der Hand gehalten habe, sich die Sache ein letztes Mal überlegend.

Die Illusion einer persönlichen Ansprache. Vorbei.

Aber abgeschickt wurde der Brief ja doch immer. Thomas Mauch

Dem Virus ein bisschen Kultur abtrotzen

Theater und Konzerte testweise wieder möglich als Pilotprojekt

Die Welt ist kompliziert, und die Coronapandemie hat sie noch mal um einiges komplizierter gemacht – hoffentlich aber nur vorübergehend. Auf die harten Lockdown-Zeiten, die kulturorientierten Menschen oft nur die Auswahl zwischen Buch und Netflix (oder einem anderen Streamingdienst) ließen, folgt nun die feste Verbindung von Theater (oder Konzert) und Test. Wie das konkret aussehen könnte, wollen Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und sieben Berliner Kulturinstitutionen noch im März ausprobieren. Am Donnerstag wurden die Details des Probelaufs bekannt.

Volksbühne, Philharmoniker, Staatsoper und vier weitere Häuser öffnen ab 19. März für eine einzelne Aufführung ihre Häuser fürs Publikum. Es gelten die üblichen Hygieneregeln, Maskenpflicht während der gesamten Aufführung, die Tickets gibt es ausschließlich personalisiert. Vor allem aber muss ein höchstens zwölf Stunden alter Coronaschnelltest vorgelegt werden. Dafür sollen sich die Kar­ten­be­sit­ze­r*in­nen gleich nach dem Kauf bei einem der teilnehmenden Testcenter einen Termin am Tag der Aufführung geben lassen. Wer positiv getestet wird, kriegt immerhin den Ticketpreis zurück in die Isolation.

Spontan mal ins Theater – das ist damit natürlich noch nicht wieder drin. Und durch den Test, der nicht am Ort des Kulturgenusses gemacht wird, dürfte sich der Zeitaufwand für Kultur plus Vorspiel locker verdoppeln. Aber all jene, die diesen Aufwand auf sich nehmen, sind ja im klassischen Sinne Pionier*innen: Sie betreten unbekanntes Terrain, und die Erfahrungen aus diesen Erkundungen dürften für die nächsten Monate im kulturellen Frühling hilfreich sein. Etwa, wenn es darum geht, ob das dauerhafte Tragen einer medizinischen Maske in den gut belüfteten Räumen eingehalten wird beziehungsweise ob es überhaupt nötig ist. Oder ob nicht auch Selbsttests direkt vor Ort einsetzbar wären.

Die Op­ti­mis­t*in­nen unter uns könnten indes argumentieren, das Pilotprojekt sei überflüssig, und dabei auf aktuelle Bilder aus Israel verweisen, auf denen man ausgelassene Menschen dicht an dicht vor Kneipen sitzen sieht. Sprich: Wenn die Impfgeschwindigkeit endlich auch in Deutschland anzieht und die Frage der Übertragbarkeit des Virus bei Geimpften geklärt ist, könnten zumindest im Spätsommer Theater und Tests wieder zwei gänzlich verschiedene Dinge sein. Was ja auch schön wäre. Bert Schulz

das interview

Machtproben in der Konfliktzone

Brandschutzbegehung in der Rigaer 94 missfällt dem Senat

Zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode hat der Senat eine Mehrheitsentscheidung getroffen. Am Dienstag stimmten die Regierungsmitglieder von Grünen und SPD gegen die anwesenden Linken-SenatorInnen Elke Breitenbach und Sebastian Scheel für einen Antrag von Innensenator Andreas Geisel (SPD), der den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aufforderte, den Eigentümervertretern der Rigaer 94 die Begehung des linksradikalen Hausprojekts zu ermöglichen.

Der ungewöhnliche Vorgang zeigt: Bei dem Konflikt geht es nicht in erster Linie darum, etwaige Brandschutzmängel in dem Haus zu beseitigen. Stattdessen ist die Rigaer 94 mal wieder zu einer Bühne für wahlkämpfende PolitikerInnen geworden. Dabei versuchen insbesondere Geisel, aber auch die im Hintergrund in alle wichtigen politischen Manöver eingebundene Bürgermeisterkandidatin Franziska Giffey, das Profil der SPD als Law-and-Order-Partei zu schärfen. Ihnen gegenüber steht der grün regierte Bezirk um seinen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne), der nicht gewillt ist, sich von außen die Regeln bestimmen zu lassen.

Schmidt hatte die Eigentümerseite im Dezember aufgefordert, den Brandschutz sicherzustellen. Er handelte wohl in der Annahme, dass es dieser nicht gelingen würde, gerichtlich bestätigt zu bekommen, dass ihre Vertreter ausreichend legitimiert seien, das Haus zu betreten, was für den Senat wiederum die Bedingung dafür war, den notwendigen Polizeischutz zu gewähren.

Als der ominösen Briefkastenfirma dies wider Erwarten doch gelang und sich ein konfliktreicher Großeinsatz abzeichnete, war Schmidt am Dienstag vorgeprescht. In einer Geheimaktion hatte eine Mitarbeiterin seiner Bauaufsicht das Gebäude begangen – die Be­woh­ne­r*in­nen öffneten ihr freiwillig die Türen. Die festgestellten Mängel sollen sich, so ihre Einschätzung, allesamt beseitigen lassen.

Als die Senatsmitglieder während ihrer Sitzung von der Nachricht überrascht wurden, hätten sie aufatmen können und sich wieder bedeutenderen Pro­blemen der Stadt zuwenden können. Das Gegenteil geschah. Geisel reagierte unwirsch auf Schmidts Coup und drängte jetzt erst recht auf seine Anordnung an den Bezirk, dieser möge den Eigentümervertretern und ihrem Gutachter den Weg ins Haus ebnen. Geisel wollte sich weder von einem Bezirkspolitiker vorführen lassen, noch öffentlich den Eindruck erwecken, nicht konsequent gegen die Linksradikalen vorzugehen.

Das Ergebnis dieser von den Grünen mitgetragenen Starrheit ist absurd: Womöglich folgt auf die problemlose Brandschutzbegehung vom Dienstag in den nächsten Wochen noch eine weitere, konflikthafte, die überdies weniger gründlich ausfallen dürfe. Denn die Eigentümer dürften laut neuerlicher, durch den Senat erzwungene Bezirksanordnung dann nur ausgewählte Wohnungen im Haus begutachten.

Für die Sicherstellung des Brandschutzes wäre das ein völlig überflüssiges Unterfangen. Nur für die wahlkämpfende SPD, die in ihrem Einsatz gegen die Linksextremisten mehr mediales Wohlwollen als in allen anderen Politikbereichen einheimst, scheint es ein wichtiger Schritt. Erik Peter

Man hätte aufatmen und sich wieder bedeutenderen Pro­blemen der Stadt zuwenden können

Erik Peter über den Zwist zwischen Bezirk und Senat um die Rigaer 94