Lula bemüht sich um Schadensbegrenzung

Brasiliens Präsident und seine Arbeiterpartei PT sind durch eine Korruptionsaffäre in die Krise geraten. Kapital kann die Opposition daraus nicht schlagen. Lulas Popularitätswerte steigen – nicht zuletzt wegen der guten Wirtschaftsbilanz

PORTO ALEGRE taz ■ „Lula ist guten Willens, aber ihm fehlt der Mut,“ sagt João Pedro Stedile von der brasilianischen Landlosenbewegung MST. In Porto Alegre sind 400 Vertreter sozialer Bewegungen zusammengekommen. Auf der Tagesordnung: die Krise der Arbeiterpartei PT und der Regierung Lula – und die Folgen für die Basis. „Die Rechte spielt mit zwei Szenarien: einer Amtsenthebung Lulas – die wäre im Interesse der USA und der dummen Rechten, der Partei der Liberalen Front (PFL)“, so Stedile. „Die intelligenteren Sozialdemokraten wollen die Regierung langsam ausbluten lassen, um Lulas Wiederwahl 2006 zu verhindern.“

Obwohl die Basisaktivisten die neoliberale Wirtschaftspolitik der Regierung erneut kritisierten, sehen sie zur Unterstützung Lulas keine Alternative. Er müsse scharf gegen die Korruption vorgehen und „die Reformen mit dem Volk machen“, sagt der Gewerkschafter Quintino Severo. Zudem gelte es, Allianzen mit kleinen und mittelständischen Betrieben zu schmieden, die auch unter der Hochzinspolitik der Regierung litten.

Die derzeit laufende Kabinettsumbildung lässt einen Kurswechsel nach links allerdings nicht vermuten. So zeigt die Berufung des Ex-Metallers Luiz Marinho zum Arbeitsminister vor allem, dass Lula die Gewerkschaften noch stärker an sich binden will. Die Zentrumspartei PMDB bekam die wichtigen Ressorts Gesundheit und Energie zugesprochen, in denen sie Schlüsselpositionen mit eigenen Parteigängern besetzen wird. Und der Sparkurs dürfte eher noch verschärft werden. Aus der Rücktrittsserie der letzten Wochen geht Finanzminister Antonio Palocci gestärkt hervor – der Lieblingsfeind der Linken.

Verlässliche Lulistas sind vom Kabinett in die Parteispitze rotiert – allen voran Noch-Erziehungsminister Tarso Genro, Ex-Bürgermeister von Porto Alegre und ein führender PT-Intellektueller. „Wir müssen die Unregelmäßigkeiten aufklären und den Schaden begrenzen“, sagt er. Anderenfalls könne die Arbeiterpartei zerfallen und die Demokratie in Gefahr geraten.

In der Korruptionsdebatte steht nicht nur die PT im Zwielicht. Der Geschäftsmann Marcos Valério Fernandes de Souza, der in ihrem Auftrag Abgeordnete aus dem Regierungslager mit bis zu 10.000 Euro monatlich geschmiert haben soll und als Bürge für die hoch verschuldete Partei auftrat, hat gedroht, auch seine Verbindungen zur PMDB und den Sozialdemokraten von Lulas Vorgänger Fernando Henrique Cardoso offen zu legen.

Zudem beschlagnahmte die Polizei kürzlich sieben Geldkoffer eines PFL-Parlamentariers. Was er mit den über drei Millionen Euro vorhatte, verriet der Bischof der evangelikalen „Universellen Kirche des Gottesreiches“ nicht. Die meisten kleineren Parteien sind ebenfalls nicht für ihre saubere Weste bekannt.

Cardoso forderte Lula unterdessen auf, im kommenden Jahr nicht mehr zur Wiederwahl anzutreten – in diesem Fall könne man die Regierung bei der Umsetzung wichtiger Reformen stützen. Doch dazu wird es kaum kommen. Eine neue Umfrage zeigt, dass der Staatschef die Affäre bisher scheinbar unbeschadet überstanden hat. Seine Popularität stieg um 2,5 Punkte auf 60 Prozent, was der Politologe Jairo Nicolau als „kalte Dusche für die Opposition“ bezeichnete. Für ihn gibt es dafür mehrere Gründe: „Lulas Charisma, die Tatsache, dass es keine Beweise für seine Verwicklung in den Skandal gibt, die gute Wirtschaftsbilanz und die Sozialprogramme“ – von den Zuschüssen des „Familien-Stipendiums“ profitieren über 7 Millionen Familien.

Derzeit würde Lula jeden sozialdemokratischen Herausforderer schlagen. Der Aussagewert solcher Umfragen ist aber begrenzt, räumte er ein: „Alles kann sich schnell ändern.“ Prompt nahm die Opposition Lula ins Visier. „Entweder ist er ein kompletter Idiot oder er weiß von der ganzen Korruption, die sich vor seiner Nase abgespielt hat“, rief Arthur Virgílio, sozialdemokratischer Fraktionschef im Senat. GERHARD DILGER