nebensachen aus santo domingo
: Bei der Abwehr des Bösen ist der Name Person

„Blancos“ Hautfarbe ist schwarz. Trotzdem rufen ihn alle in seinem kleinen Dorf nahe der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo: „Weißer“. Lachend übergeht er die Frage, wie er wirklich heißt. Stattdessen trommelt er auf der getrockneten Ziegenhaut, die über einem ausgehöhlten Baumstamm gespannt ist, zu Ehren von Santa Martha, der Heiligen, die in Schlangengestalt Männer in ihren Bann zieht und beherrscht.

Eine knapp 60-Jährige wird seit ihrer Geburt „Negra“ gerufen, obwohl sie allenfalls braun ist. Auch Negra achtet genau darauf, dass niemand ihren wirklichen Namen erfährt. Der neue Tourismusminister des Landes, das sich mit Haiti die zweitgrößte Karibikinsel teilt, kennen die Menschen nur als „Felucho“ und nicht unter seinem richtigen Namen: Felix Jiménez.

Körperliche Besonderheiten oder individuelle Auffälligkeiten schlagen sich in der Dominikanischen Republik immer wieder in Aliasnamen nieder. Während in Deutschland viele Menschen Namen eher für „Schall und Rauch“ halten, bedeutet ein Spitzname in der Dominikanischen Republik eine ganze Menge: Er gilt als Schutz gegen das Böse. Der Glaube, dass der Name essenzieller Teil der Person ist, veranlasst viele DominikanerInnen, ihren Taufnamen geheim zu halten.

„Die Menschen glauben, dass ein anderer ihnen etwas Böses anhaben kann, wenn der wirkliche Name bekannt ist“, erklärt die Anthropologin Soraya Aracena. Aracena ist bereits mehrmals bei derartigen Riten dabei gewesen. So wusste sich ein kleiner Junge, der bei einem Streit von einem Stein getroffen wurde, nicht anders gegen den Stärkeren zu wehren, als einen „Brujo“, einen Zauberer aufzusuchen, erzählt Aracena. Der schrieb den Namen des Steinewerfers auf einen Zettel und deponierte ihn unter einer Heiligenlampe – mit unbekanntem Erfolg.

Überall im Land finden sich Heilkundige und Wundertäter, die ihre tatsächlichen oder vermeintlichen übersinnlichen Kräfte – gegen Bezahlung versteht sich – zur Verfügung stellen. Um eine gute Arbeit zu finden, kann man in kleinen Buden auf dem Mercado Modelo in der City von Santo Domingo präparierte Badezusätze erstehen. Gegen den untreuen Ehemann und dessen Geliebte können Verwünschungen gekauft werden oder zwei kleine Püppchen, die während einer speziellen Zeremonie voneinander getrennt werden.

Einer Frau starben bereits mehrere Kinder kurz nach der Geburt. Als sie eine Curandera, eine Heilerin, um Hilfe bat, riet diese, ihren Kindern Tiernamen zu geben und die wirklichen Namen niemand zu verraten – dann könne niemand den Kindern ein Leid antun. Offenbar hat der Rat gewirkt: Die Senora hat inzwischen drei gesunde Kinder. Aber nicht einmal die Großeltern kennen den wirklichen Namen ihrer Enkel „Frosch“, „Mäuschen“ und „Schmetterling“.

HANS-ULRICH DILLMANN