Massaker im Irak bei Explosion von Tanklaster

Bei dem schlimmsten Anschlag seit Monaten kommen mindestens 98 Menschen ums Leben, 130 werden verletzt

ERBIL taz ■ Das ziellose Morden im Irak hat einen weiteren Namen – Mussayib. In dem Markflecken im Süden von Bagdad hat ein Selbstmordattentäter am Samstagabend ein Massaker angerichtet, das mindestens 98 Tote und 130 Verletzte forderte, von denen 75 gestern noch in ärztlicher Behandlung waren. Es war die Zeit des Abendgebets, als der Attentäter sich an einer Tankstelle in der Nähe einer schiitischen Moschee in die Luft sprengte. Dabei fing ein Tanklastzug Feuer und löste eine gewaltige Explosion aus. Augenzeugen berichteten, dass der Täter auf den Laser zugerannt sei, als dieser an der Tankstelle manövrierte. „Das ist ein schwarzer Tag in der Geschichte der Stadt“, sagte Polizeichef Yas Khudair.

In dem etwa 60 Kilometer südlich von Bagdad am Euphrat gelegenen Ort leben Sunniten und Schiiten. In den vergangenen Monaten war er Schauplatz von Verschleppungen und ungeklärten Morden an schiitischen Reisenden. Der Ort ist auch eines der Nadelöhre von Bagdad in den Süden des Landes. Ein Großteil des Verkehrs quält sich hier über die zentrale Hauptstraße, an der sich Geschäfte, Marktstände und öffentliche Einrichtungen drängen. Durch die Detonation fingen auch Häuser in der Innenstadt Feuer.

Vor den ausgebrannten Gebäuden versammelten sich am Sonntag aufgebrachte Bewohner und bezichtigten die Behörden, nicht genügend für ihren Schutz zu tun. Offenbar waren diese sich der Gefahr bewusst und hatten die Durchfahrt von Tanklastzügen untersagt. „Die Polizei hat trotzdem einen durchfahren lassen“, rief ein Demonstrant. „Das ist ein Verbrechen.“

Das Massaker von Mussayib war der schlimmste Anschlag seit dem Autobombenanschlag im südlich gelegenen Hilla, der im Februar 126 Tote gefordert hatte. Keine zwölf Stunden später raste am Sonntagmorgen ein Selbstmordattentäter in der Hauptstadt in eine Polizeipatrouille. Dabei wurden zwei Polizisten und ein Passant getötet, acht Personen wurden verletzt. Bei weiteren Anschlägen in der irakischen Hauptstadt wurden gestern 13 Personen getötet und 12 weitere verletzt.

Dem Anschlag von Mussayib ging in den letzten Tagen eine Eskalation der Selbstmordattentate in Bagdad und in anderen Landesteilen voraus. In einer heftigen Debatte haben Parlamentarier am Sonntag die Regierung beschuldigt, nicht genügend zum Schutz der Bürger zu tun. Ein Abgeordneter forderte die Aufstellung von lokalen Milizen.

Der jüngsten Eskalation vorausgegangen war eine Kriegserklärung des Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi an die Schiiten. Darin forderte er potenzielle Selbstmordattentäter in der arabischen Welt auf, ins Zweistromland zu kommen. INGA ROGG