In Käferdeutschland

SOMMER IM MUSEUM (III) In der VW-Stadt Wolfsburg gibt es natürlich ein Automuseum. Auch wenn sich die Volkswagen etwas lieblos drängeln müssen, wird der Besuch zu einer hübschen kleinen Zeitreise

Irgendwann kommt sicher der Dachdecker mit dem taubenblau lackierten VW-Bus von 1949 angefahren

Warum nicht den Sommer nutzen, um aufzuspüren, was die Peripherie oder – gut versteckt – die eigene Stadt an Kultur zu bieten hat? Wir stellen in dieser Serie einige Museen, Gedenkorte und Initiativen vor, die zu besuchen sich lohnen könnte.

Der elend verregnete und verstürmte Juli bringt einen immerhin dazu, sich bei der Wahl des Ausflugsortes etwas mehr anzustrengen als üblicherweise nötig – einfach an den Strand oder den nächsten See fahren geht ja nicht. Warum also nicht mal Wolfsburg? Hier gibt es neben Parkplätzen, die alle aussehen wie ein VW-Gebrauchtwagenhandel, dem Fußballstadion und der Aller seit 1985 ein Automuseum von Volkswagen – untergebracht in einem Flachdachbau, auf dessen irgendwann mal strahlend weiß gewesener Fassade kleine VW-Käfer-Silhouetten in allen Farben prangen.

Auf dem Weg in den 5.000 Quadratmeter großen Ausstellungsraum geht es vorbei an zwei kleinen blauen Eimern, die das Regenwasser auffangen sollen, das durch die Decke tropft, und an Infotafeln zur Geschichte des Autokonzerns. Viel erfährt man allerdings nicht – es gibt kurze Meldungen über den einmillionsten Käfer und den zigmillionsten Golf und die wechselnden Vorstandsvorsitzenden. Man steigt nicht tiefer ein in die schwierige Volkswagen-Historie, die mit Hitler, Kraft durch Freude und Deutscher Arbeitsfront begann. Aber es geht hier ja auch gar nicht um eine kritische Betrachtung der größten Autofabrik Europas. Hier sollen Autos angeguckt werden.

140 Fahrzeuge wie das des Korbmachers, der sein Käfer-Cabrio binnen Hunderter Arbeitsstunden in einen fahrenden Korb verwandelte, sind grob zeitlich sortiert ausgestellt. Es gibt den Käfer ganz aus Holz, den der venezianische Bildhauer Livio de Marchi 1999 für den Karneval in Venedig gebaut hat oder Herbie, den mit der Startnummer 53 und den übernatürlichen Kräften aus der Disney-Filmreihe „Der tolle Käfer“, oder den italienischen Amphibien-Käfer, der 1964 in einer guten halben Stunde die Straße von Messina durchschwamm.

Diese Skurrilitäten machen aber nicht den eigentlichen Reiz des Museums aus. Es sind die ganz normalen Autos, die den Zeitreise-Effekt auslösen. Fast die halbe Ausstellung besteht aus Käfern – rot lackiert, Blaulicht aufs Dach und Feuerwehr auf die Motorhaube geschrieben, gelb lackiert mit Taxi-Schild auf dem Dach, als Polizeiwagen oder als ADAC-Pannenauto.

In den 50er und 60er Jahren war Deutschland ein einziges Käfer-Land, und man fühlt sich irgendwie ans Spielen mit Playmobil erinnert, wenn man an diesen Autos vorbeischlendert und sich eine Verfolgungsjagd von Polizei und Bankräubern mit Tempo 80 vorstellt. Und wie schön wäre es, wenn die Pakete immer noch mit dem kleinen knautschigen Post-Lkw „Fridolin“ gebracht würden! Für solche Ideen haben die zumeist männlichen Besucher, die mit Fotoapparat und quietschenden Sohlen von Auto zu Auto rennen und jedes Detail knipsen, vermutlich keine Zeit.

Wundert man sich am Anfang noch über die Eimer und das undichte Dach, kommt es einem nach den ganzen freundlichen Autos aus einer anderen Zeit irgendwie passend vor, dass sich hier niemand darum schert, wenn es durch ein weiteres Loch im Dach auf die Heckscheibe eines hellblauen Prototypen des VW 411 aus dem Jahr 1966 tropft. Doch nur die Ruhe! Irgendwann kommt ganz sicher der Dachdecker mit dem ersten, taubenblau lackierten VW-Bus von 1949 angefahren und repariert das Dach.

ILKA KREUTZTRÄGER

Automuseum Volkswagen in Wolfsburg: Dieselstraße 35, Di-So 10 bis 18 Uhr