LESERINNENBRIEFE
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Zu viel liegt noch im Dunkeln

■ betr.: „Die geraubten Kinder vom Campo de Mayo“, taz v. 7. 7. 12

Argentiniens Exdiktatoren sind wieder einmal für ein unvorstellbares Verbrechen verurteilt worden, dieses Mal für Kindesraub. Die Liste der auch juristisch verfolgten Menschenrechtsverbrechen wird länger. Und es ist gut so, dass Argentiniens Gesellschaft nicht locker lässt und Aufklärung fordert. Zu viel liegt noch im Dunkeln.

Aufgeklärt wurde im Mai dieses Jahres auch das Mitwissertum der obersten Leitung der katholischen Kirche und des Vatikans über das Schicksal der Verschwundenen. Der bekannte Journalist Horacio Verbitsky hat in zwei Artikeln beschrieben, dass Diktator Jorge Videla am 10. April 1978 bei einem Mittagessen die drei obersten katholischen Bischöfe Argentiniens darüber informierte, dass die Verschwundenen „verurteilt“ und „exekutiert“ seien. Sie hätten zu dieser Methode gegriffen, da sie glaubten, dass dies „nicht den Impakt einer öffentlichen Erschießung auslösen würde“, denn dies hätte die Gesellschaft nicht toleriert. Kardinal Primatesta von Córdoba, Bischof Zazpe von Santa Fe und Kardinal Aramburu von Buenos Aires haben diese Information offiziell dem Vatikan mitgeteilt. Diese schriftliche Kurzmitteilung wurde in einem Gerichtsverfahren einer Richterin von der Bischofskonferenz überlassen.

Damit ist ganz offiziell und in einem juristischen Akt bestätigt, dass die argentinische katholische Kirche und der Vatikan seit April 1978 darüber informiert waren, dass die „Verhaftet-Verschwundenen“ ermordet sind, obwohl deren Familienangehörige und Menschenrechtsgruppen ihr Verschwinden anzeigten in der Hoffnung, dass sie noch lebten und lebend wiederauftauchen würden. Seine Beziehungen zur Kirche seien „exzellent, sehr herzlich, aufrichtig und offen“ gewesen, meinte der Exdiktator Videla in einem Interview. Die Kirche sei klug gewesen und hätte keine Probleme bereitet.

WERNER HUFFER-KILIAN, Pastoralreferent im Bistum Trier

Der Charakter einer Stadt

■ betr.: „Center gegen Zentrum“, taz vom 14. 7. 12

Es ist zweifelhaft, ob die zunehmende Gleichförmigkeit der Innenstädte tatsächlich den Wünschen und Einkaufsgewohnheiten jener entspricht, die im Artikel undifferenziert als „die Leute“ bezeichnet werden. Erzeugt das Wissen, dass Kaffee und Fastfood beim Filialisten in der Nachbarstadt genauso schmecken wie im eigenen Wohnort, ein Gefühl von Sicherheit und Aufgehobensein bei Konsumenten, oder finden diese sich angesichts des ohnehin identischen Warenangebots einfach damit ab, ihr knappes Budget der immer gleichen Handvoll Konzerne in die Hälse zu stopfen? Den Charakter einer Stadt macht doch eigentlich das Unverwechselbare, nicht Austauschbare aus. Und da spielt es keine Rolle, ob solche Individualität durch in Shoppingmalls gebündelte oder über die Fußgängerzone verteilte Einzelhandelsketten beeinträchtigt wird.

FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Was Stadtplanung vermag

■ betr.: „Center gegen Zentrum“, taz vom 14. 7. 12

Mit dem Thema beschäftigen sich Stadtplaner bereits seit Jahren, und zwar sehr differenziert und kontrovers. Die hier gezeichnete „Schwarz-Weiß-Sicht“ (der Center als Gewinner, die Innenstadt als Verlierer) kann nicht automatisch auf jede Stadt übertragen werden. Die fachliche Einschätzung aus Sicht der Stadtplanung hätte die sonntaz sicherlich bereichert, vermag es die Stadtplanung doch, das Thema umfassend anzugehen und die komplexen Facetten rund um die grundsätzliche Frage „Wie sollen unsere Innenstädte künftig ausschauen“ aufzuzeigen! LUTZ KRÄMER-HEID, Stadtplaner,

Frankfurt am Main

Mit Verlaub: zum Kotzen

■ betr.: „Center gegen Zentrum“, taz vom 14. 7. 12

Wir haben, grob geschätzt, 20.000 Einwohner und eine grottige Einkaufskraft. In der Innenstadt: nicht viel los, aber „enough“; dem Vernehmen nach wären ein, zwei Läden für Lebensmittel und sogenannte schöne Klamotten gewünscht. Für „attraktiver“ machende Veränderung war 20 Jahre Zeit. Da aber alles ganz, ganz schlimm ist, eilt ein Unternehmen – AVW – zur Rettung, und Zittau soll ein Einkaufszentrum bekommen. Dass es genug nutzbare Flächen gibt, dass die wegzureißenden Gebäude denkmalgeschützt sind, dass die Belebung der Innenstadt anhand vieler Beispiele anderer Städte skeptisch gesehen werden muss – alles wurscht. Die große Lokalzeitung ist auch unbedingt für das Center – wie in vielen anderen Städten auch. Wir versuchen uns mit einer Bürgerinitiative zu wehren. Aber vermutlich wird der Bau – wie anderswo auch – aufgeschoben, nicht aufgehoben. Mit Verlaub: zum Kotzen. KRISTIN MATEJA, Zittau

Energiewende flottmachen

■ betr.: „Altmaier stellt die Ziele der Energiewende infrage“,taz vom 16. 7. 12

Immer wieder wird vonseiten einiger Regierungsmitglieder versucht, die Energiewende zu hintertreiben. Nun hat sich dem wohl auch der Umweltminister angeschlossen, indem er die gleichen Lügen über den angeblich drohenden „Blackout“ und die „unbezahlbaren Strompreise“ verbreitet, die alle schon weitgehend widerlegt werden konnten. Als Umweltminister sollte sich Herr Altmaier besser seiner eigentlichen Aufgabe widmen und die Energiewende tatsächlich „flottmachen“! HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel