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Osman Engin Die CoronachronikenDas Trojanische Corona

privat

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Er liest seine Geschichten im Radio bei Cosmo unter dem Titel „Alltag im Osmanischen Reich“. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Wie der Zufall (oder Covid) so will, fangen meine Frau und ich ­exakt in der gleichen Sekunde an zu husten! „Bei Allah, wir haben Corona – öhhööö, öööhhhhe“, röchele ich erschrocken nach der langen Hustenarie, als ich wieder halbwegs Luft bekomme.

„Ich für meinen Teil habe kein Corona – ich huste einfach nur so, ööööhhheee“, keucht Eminanim, ich meine: antwortet Eminanim. Besser gesagt: keucht sie als Antwort.

„Wenn ich Corona habe, dann hast du auch Corona, du Dummchen! Hast du noch nie gehört, wie ansteckend Corona ist – erst recht die zahlreichen, modernen Mutanten, die wir als reiches Land von überall importieren?“

„Wieso? Ich kann ja einfach nur so husten, ohne dass du mich angesteckt hast“, antwortet sie keuchend.

„Mit Sicherheit hast du mich angesteckt! Du bist nämlich der Schwachpunkt in unserer Familie, der sich überhaupt nicht um die … ÖHÖööö-Regeln, ich meine, um die AHA-Regeln schert! Du bist unser Trojanisches Coronapferd!“

Meine Frau will wie immer sofort dagegenhalten, aber ihre erneute Hustenarie dauert alles in allem 26 Sekunden, also mit Husten, Spucken und Rotzen.

„Siehst du es jetzt endlich ein, dass wir beide Corona haben?“, rufe ich siegessicher.

„Osman, wie oft soll ich dir denn noch sagen, ich für meinen Teil habe kein Corona – ich huste mir nur ab und zu die Lunge aus dem Leib.“

„Ohne Grund hustet man nicht!“

„Mann vielleicht nicht, aber Frau schon!“

„Wir müssen zum Arzt – und zwar sofort!“

Keine 15 Minuten später sitze ich bereits meinem Arzt gegenüber. Natürlich nicht, ohne Eminanim vorher bei ihrem Arzt abgeliefert zu haben. In einer Ehe ist man gezwungen, so einiges mit seiner Frau zu teilen. Aber meinen Arzt kriegt sie nicht.

Nach unseren Soloauftritten bei jeweils eigenen Ärzten husten wir am Abend zu Hause wieder gemeinsam im Duett.

„Siehst du, Eminanim, ich wusste, dass wir Corona haben. Mein Arzt hat mir geraten, morgen unbedingt einen Test zu machen.“

„Aha“, knurrt sie.

„Auf die AHA-Regeln hättest du früher achten müssen. Was hat denn dein Arzt gesagt?“, frage ich neugierig.

„Mein Arzt hat gesagt, ich hätte für meinen Teil ein ganz normales Husten und nicht die Spur von einem Corona. Nicht mal ein Bisschen.“

Ich will sofort antworten, aber ich ziehe es erst mal vor, ausgiebig zu husten. Dann gehe ich mit gutem Beispiel voran:

„Also, ich gehe morgen auf jeden Fall zum Krankenhaus und lasse mich testen.“

„Das ist deine Entscheidung. Du kannst den Test machen und als schwerkranker Corona­todeskandidat im Krankenhaus schmoren, oder du gehst zu meinem Arzt und bist kerngesund“, schlägt sie vor.

Als ich eine Nacht darüber schlafe, entscheide ich mich selbstverständlich so, wie jeder vernünftiger Mensch sich entscheiden würde:

Ich gehe zu Eminanims Arzt und bin völlig gesund – Öhhhööö…

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