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: Lupenreiner Kämpfer gegen Korruption

Er unterstützte die demonstrierenden Studenten, die 1989 den Tiananmen-Platz in Peking besetzten – dennoch wird er heute von der KP Chinas als Hoffnungsträger begrüßt. Er bekam noch kürzlich Auftrittsverbot in Hongkong, dennoch gilt er als Versöhner zwischen Taiwan und China. Schon ist absehbar: Mit dem Taipeher Bürgermeister Ma Ying-jeou an der Spitze der größten Oppositionspartei wird sich in Zukunft nicht nur in der Politik Taiwans viel ändern, sondern auch in der innerchinesischen Politik.

Ma gewann Samstag die Wahl zum Vorsitzenden der Kuomintang-Partei (KMT), die schon 1911 von Chinas Republikvater Sun Yat-sen gegründet wurde und Taiwan 51 Jahre – lange Zeit diktatorisch – regierte. Seit dem Machtverlust nach den taiwanischen Präsidentschaftswahlen 2000 aber befindet sich die KMT in der Krise. Ma soll für sie nun die Präsidentschaftswahl 2008 gewinnen. Wie groß die Hoffnungen der KMT-Mitglieder sind, die sie auf ihn setzen, zeigte nicht nur der unerwartet hohe Wahlsieg mit 72 Prozent der Stimmen gegen einen angesehenen Gegenkandidaten, sondern auch die für eine Mitgliederwahl hohe Wahlbeteiligung von 50 Prozent der etwa 1 Million KMT-Anhänger. Damit konnte Ma die parteiinterne Spaltung der Mitglieder chinesischer und taiwanischer Herkunft überwinden.

Ma, der 1950 in der VR China geboren wurde, stammt aus einer altangesehenen KMT-Familie, die 1951 vor den Kommunisten nach Taiwan flüchtete. Nach seiner Jura-Dissertation in Harvard wurde er aufgrund der Verbindungen seines Vaters zum persönlichen Übersetzer des damaligen taiwanischen Präsidenten Chiang Ching-kuo berufen. Mit 38 Jahren war er das jüngste Kabinettsmitglied Taiwans und wurde wenig später zum Justizminister ernannt – ein Amt, in dem er sich seine bis heute nicht verwelkten Lorbeeren als knallharter Korruptionsbekämpfer verdiente.

So gut war er, dass ihn die eigene Partei 1996 aus dem Amt entfernte – aus Angst, er könnte zu viel aufdecken. Ma aber kehrte als Bürgermeister von Taipeh zurück, nachdem er den heutigen Präsidenten Chen Shui-bian 1998 in einer hart umkämpften Wahl knapp geschlagen hatte. Seine Wiederwahl gewann er 2002 mit 64 Prozent der Stimmen. Als Bürgermeister fiel Ma auf, als er voriges Jahr illegale Demos der eigenen Partei von der Polizei unterbinden ließ. Auch deshalb reicht die Popularität des 55-Jährigen heute bis weit ins Regierungslager. Zugleich aber tritt Ma vehement gegen die Unabhängigkeit Taiwans und für einen Dialog mit China ein. Das macht seinen Aufstieg so interessant: Schon in drei Jahren könnte ein lupenreiner, aber prochinesischer Demokrat Taiwan regieren. GEORG BLUME