Die Springmaus lebt

Das private Bonner Kabarett-Theater besteht seit 20 Jahren. Zum Fest kamen über 10.000 Besucher

Wegen Jaculus jaculus strömen die Menschen auf den Bonner Marktplatz. Den lateinischen Namen der Wüstenspringmaus kennen die wenigsten. Sie wollen zur „Laugh-Parade“, mit der ein Kabarett-Theater der Stadt gefeiert wird. Seit 20 Jahren gibt es die Springmaus in der ehemaligen Bundeshauptstadt. „Wir haben damals gar nicht damit gerechnet, dass es so lange läuft“, sagt Theaterchef Andreas Etienne. Angefangen habe das Improvisationstheater in Heidelberg, eine der Mitspielerinnen sei Biologin gewesen, ihre Abschlussarbeit behandelte die Springmaus. Daher der Name. Noch heute setze das Ensemble Maßstäbe auf der Improszene, sagt Etienne. Mit immer neuen Leuten.

Gemeinsam mit dem Theater Pantheon habe die Springmaus viel fürs Image der Stadt getan. Die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) kennt sich mit kurzen Grußworten aus. Dann beginnen auf dem Marktplatz vor über 10.000 Besuchern die Auftritte der Kleinkünstler. Viele haben hier als Unbekannte angefangen, sind heute gefeierte Fernsehstars. Darunter Größen wie Harald Schmidt, Rüdiger Hoffmann oder Markus Maria Profitlich. Dirty Harry präsentierte Ende der 1980er Jahre im kleinen Kellertheater sein erstes Solo „Überstehen ist alles“. Dirk Bach knallte damals im Dirdl bei der „Geierwally“ an die zu niedrige Decke. „Das Fernsehen hat die Szene dann verändert“, sagt Etienne, der selbst als Köbes (Kellner) bei Stratmanns im WDR auftritt. Viele, die es nicht verdient hätten, seien durchs TV schnell nach oben geschwemmt worden. Doch das in Mode gekommene Comedy-Label spiele sich langsam tot. Die junge Generation wende sich wieder mehr dem Politischen zu. Die neue Regierung in NRW liefere dafür jedenfalls neue Stoffe.

Die Künstlerförderung ist bis heute ein wichtiger Aspekt in der Erfolgsgeschichte der Springmaus, die 1993 in eine große, leer stehende Tanzsaal-Ruine einzog. „Doch die Zeiten sind schlechter geworden“, sagt Etienne. Besonders in den Sommermonaten müsse der Förderverein des Theaters einspringen. Ihn hat einst Hanns Dieter Hüsch, das schwarze Schaf vom Niederrhein, begründet. Der Verein deckt fünf Prozent des Etats, wie die Stadt Bonn. Der riesige Rest wird über Sponsoren geworben und mit Eintrittsgeldern erspielt. „Dafür bleiben wir aber unabhängig, sagt der Theaterleiter und Geschäftsführer, der diese Ämter bereits seit 1985 bekleidet.

Das Haus sei immer noch gesund, habe gerade einen Generationswechsel hinter sich gebracht. Damit sollen neue Publikumsstrukturen geschaffen werden, „auch wenn man dafür in einem Teil der aktuellen Ströme mitschwimmen muss“. Am Wochenende präsentiert die Springmaus das Sommersprossen-Festival. Hier spielen Comedians im Doppelpack. Barbara Ruscher trifft auf Vince Ebert. Sie hat sich bei Nightwash und Ottis Schlachthof einen Namen gemacht und kommentiert ungehemmt und charmant alles, was die Frau um die 30 angeht. Er findet keinen Parkplatz, obwohl das Universum expandiert. Ob Quantengravitation, kosmische Hintergrundstrahlung oder Superstringtangas, Vince macht vor keiner Theorie halt, denn Physik ist sexy.

Bonn scheint fürs Kabarett ein gutes Pflaster zu sein. Viel Infrastruktur aus der Zeit als Bundeshauptstadt sei noch erhalten. Auch wenn die Stadt in der Vergangenheit lange geschlafen habe, sei der Hauptstadtwechsel inzwischen gut verkraftet worden. „Wir sind hier eigentlich eine Insel der Seligen“, sagt Etienne.PETER ORTMANN