piwik no script img

wortwechsel„Achtung, Achtung! Hier spricht Ihre Weltpolizei!“

Der Parlamentarier Matthias Höhn kritisierte seine Partei (Die Linke) im taz-Interview: „Ein kategorisches Nein zu UN-Einsätzen passt nicht zur Unterstützung der Vereinten Nationen“

Eine Militärmission: Bundeswehr-Blauhelmsoldat in Mali (2016) Foto: Michael Kappeler/dpa

„Linken-Politiker über Sicherheitspolitik: ‚Mir ist das zu schlicht‘. Der Parlamentarier Matthias Höhn fordert von seiner Partei eine generelle Bereitschaft zu Blauhelmeinsätzen – und rüttelt damit an ihren Grundpfeilern“,

taz vom 20. 2. 21

Eine gute Weltpolizei?

Ich möchte Matthias Höhn ausdrücklich darin unterstützen, dass die sicherheitspolitische Position der Linken neu und offen diskutiert werden muss. Mich hat deren pauschale Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr schon immer gestört. Denn es braucht ganz sicher Peace­keeping Forces unter UN-Kommando, solange die Welt ist, wie sie ist. Bei meiner Wehrdienstverweigerung – mein Jahrgang (1937) war der Erste, der wehrpflichtig wurde – habe ich die Position vertreten, dass ich in einer UN-Streitmacht (so etwas wie einer demokratisch kontrollierten Weltpolizei) eine Waffe in die Hand nähme. Ich kam damals gerade noch so durch bei der Anhörung; später wäre ich damit glatt durchgefallen. Mir ging es immer um eine Differenzierung zwischen potenziell aggressiven Waffen und defensiven, womöglich gar zivilen Verteidigungsmethoden. Innenpolitisch brauchen wir ja auch eine Polizei, die fähig ist, mit bewaffneten Kriminellen oder Terroristen umzugehen. Solche Differenzierung muss nicht die berechtigte Kritik der Linken an der militaristischen Politik der Nato schmälern, eine Kritik, die freilich auch sowjetischem Militarismus gelten müsste. Gerhard Breidenstein, Traunstein

Propaganda der Nato

Als parteiloser Friedensaktivist lässt mich das Interview mit Herrn Höhn zur sogenannten linken Sicherheitspolitik verzweifelt zurück. Es beginnt damit, dass Herr Höhn sich auf die Sprache der Nato-Kommunikation einlässt, die das Wort ‚Friedenspolitik‘ gern durch andere Begriffe ersetzt. Herr Höhn benutzt auch das Wort „Verteidigungspolitik“. Friedenspolitik unterscheidet sich von „Sicherheitspolitik“, da sie nicht auf Abschreckung, Aufrüstung und wirtschaftsschädigende Sanktionen ausgerichtet ist, sondern nach UN-Charta Art. 1 auf Gerechtigkeit, friedliche Konfliktregulation im Rahmen von Organisationen gemeinsamer Sicherheit und Zusammenarbeit. Abschreckung, Hochrüstung und Sanktionen sind zudem auch ökologisch das Gegenteil von Sicherheit beim Ringen der Menschheit um Zukunft, wie sie in den UN-Mil­len­niums­zielen zum Ausdruck kommen. Herr Höhn übernimmt nicht nur wichtige Elemente der Sprache von Nato-Propaganda, sondern auch Teile ihres militärischen Denkens. Er fordert einen Peacekeeping-Einsatz im Sudsudan. Der dortige Konflikt lässt sich aber nur mit einer auf Gerechtigkeit ausgerichteten Hilfe für die Entwicklung der Region lösen. Die Nato, so argumentierte ich in einer Diskussionsveranstaltung der Bremer Linken gegen Herrn Höhns Formulierung, sie sei ein „Verteidigungsbündnis“, ist dasjenige Staatenbündnis, von dem die meisten und massivsten Völkerrechtsverletzungen seit dem Ende des Kalten Kriegs ausgehen.

Bernhard Trautvetter, Essen

Gut gegen böse? Angriff!

Als ob es eine tatsächliche Übereinkunft über „unsere westlichen Werte“ gäbe. Sind das nicht viel eher die monetären Werte unserer westlichen Reichen? Sollen einmal mehr viele Millionen unschuldige Wehrpflichtige und andere Soldaten sowie ungezählte Zivilisten diese Werte mit ihrem Leben bezahlen? Jeder Krieg fängt mit einer (Bedrohungs-)Lüge an!

Khaled Chaabouté auf taz.de

@Khaled Chaabouté Und stets ist mit der Bedrohungslüge die Propaganda verbunden, dass es immer um das Gute gegen das Böse geht. Die Muster sind immer gleich. Rolf B. auf taz.de

@Rolf B. Gut und Böse haben in der Politik nichts verloren, aber im Vergleich mit Russlands militaristischen klerikalen Kleptokratie macht Deutschland vieles richtig. Gilt Ihre Kritik auch Russland, China, der Türkei? Macchiavelli auf taz.de

@Macchiavelli Selbstverständlich. Ich folge allerdings nicht ihrer Nato-Propaganda. Meine Kritik gilt auch den „Freunden“ in Saudi-Arabien, Katar, Polen, Ungarn, Weißrussland und im Falle Assange besonders England und einer EU, die sogar Folter duldete. Menschenrechte sind für mich nicht teilbar. Aber um Menschenrechte geht es ja selten, geostrategische Interessen stehen im Vordergrund.

Rolf B. auf taz.de

Venceremos

Moin, lieber Matthias Höhn! Endlich mal einer, der den Mut aufbringt und unter Umständen einen Blauhelmeinsatz der Bundeswehr für die Linke für möglich hält. Die Mainstreamhaltung der Partei verhindert für mich unter anderem in die Partei Die Linke einzutreten.

Ich bekenne, als „tazler der ersten Stunde“ auch für „Waffen für El Salvador“ gespendet zu haben. Weiter so, Matthias! Venceremos. Thomas Sobottka, Bremen

Ideologische Fossilien

Eine unglaublich angenehme Lektüre, frei von ideologischen Fossilien: sachlich, fundiert, reflektiert. Vermutlich wird er nicht durchdringen in der Parteihierarchie.

Es bleibt zu hoffen, dass die Delegierten dieses Vorgehen von Matthias Höhn honorieren. Sein Frust ist nachvollziehbar.

Thomas Knuf, Berlin

Kein „generelles“ Ja

Selten habe ich jemanden von der Linken so eindeutig sagen hören, was Sache ist. Die Strategie der Linkspartei auf Bundesebene ist es momentan ja eher, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten, an dem sich die Massen endlich auf die wahre Lehre besinnen.

Im Untertitel der taz wurde allerdings auch wieder ungenau polarisiert: Eine „generelle Bereitschaft zu Blauhelmeinsätzen“ hat Matthias Höhn nicht gefordert, sondern: „Ich denke, wir sollten das generelle Nein zu Peacekeeping-Missionen überwinden und auf die Einzelfälle schauen, die die Vereinten Nationen nach Kapitel 6 ihrer Charta beschlossen haben.“ Hannibal Corpse auf taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen