berliner szenen All the lonely people

Pläsierchen

Sonnenallee runter, vorbei an den Plakaten mit dem falschen, gruselig echt aussehenden Michael Jackson, zum Eingang, wo das Bild mit dem Beatboot hängt, den wahrscheinlich mindestens Ringo Starr eingelaufen hat: Das Hotel Estrel. Hier findet jedes Tierchen sein Pläsierchen. Klingonen und Vulkanier haben sich in der erstaunlichen 80er-Jahre-Lobby schon die Pfote gedrückt, und zum dritten Mal walzten an diesem Wochenende Beatles-Fans durch die Tür. Ich bin einer von ihnen und zu alt, mich dafür zu schämen: weil meine Mit-Fans moderne Beatles-T-Shirts über ihre Bäuche spannen lassen, weil sie im Erdgeschoss mit geschlossenen Augen und verschwitzter Stirn Karaoke-Gitarre spielen und weil sie sogar an dem Stand stehen bleiben, an dem aktuelle (!) Paul-McCartney-Fotos herumliegen. Der graumelierte Sir Paul in einer spießigen graumelierten Jacke – hoffentlich wenigstens Glencheck. Wahrscheinlich hat seine Tochter mehr Geschmack.

Mein Beatlesbegleiter, den ich schon fast so lange kenne wie die Band, erzählt, dass er neulich eine interessante Theorie gelesen habe: Paul McCartney sei sozusagen die Zukunft Michael Jacksons. Denn da vermutlich niemand mehr Jacksons neue Platten kaufen wird, muss er sich, genau wie McCartney, damit zufrieden geben, die nächsten 30 Jahre einfach die Hits der letzten 20 Jahre zu spielen. Das Publikum wird die moderneren Songs auf Konzerten dulden – um die Wartezeit zu den alten Hits zu verkürzen. Und schon springt das Hotel Estrel wieder in die Bresche: Wer richtet angeblich demnächst eine große Michael-Jackson-Geburtstagsparty aus, mit La Toya, Janet und eventuell sogar der merkwürdigen Licht-und-viel-Schatten-Gestalt selbst? Genau. Ah, look at all the lonely people. JENNI ZYLKA