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: Raffgieriges Genie

Der New Yorker Journalist Jack Newfield veröffentlicht einen Enthüllungsreport über Don King, den führenden Boxpromotor

Nur wenige Bilder haben das Boxen der Achtziger- und Neunzigerjahre geprägt. Mal waren es die Siege Evander Holyfields oder die Triumphe Oscar de la Hoyas, doch vor allem war es der Anblick eines Mannes, der erst dann in den Ring kletterte, wenn das Urteil verkündet war: Don King, ausgestattet mit der markantesten Frisur seit Johnny Rotten, ein veritabler Impressario, der über Wohl und Wehe im Boxsport bestimmt und der im Zirkel der Faustkämpfer mehr noch als Muhammad Ali jenen Titel für sich beanspruchen darf, den Alis Anhänger ihrem Idol verliehen: King of the World.

Die New York Times zählt King zu den 100 einflussreichsten Amerikanern des 20. Jahrhunderts. Mitten unter Bill Gates, John F. Kennedy und Edgar G. Hoover, und man fragt sich, wie es kommen konnte, dass ein wegen Totschlags verurteilter Vorstadtkönig Einzug in die illustre Runde fand. Der Journalist Jack Newfield ist in „Harte Bandagen“ angetreten, den Weg des Promoters nachzuzeichnen – ein bisher hoffnungsloses Unterfangen, denn King ist ein Januskopf. So verwundert es kaum, dass Newfield sein Buch nicht als Biografie versteht, denn der Protagonist hätte ihm kaum jene Quellen offenbart, die nach Auffassung des Schreibers Kings prägenden Charakterzug illustrieren: unstillbare Raffgier, ausgelebt von einem, der „sich mit höchster Brillanz dem Geschäft der Ausbeutung widmet“.

Newfield musste ohne tragende Gespräche mit King auskommen. „An dem Tag, an dem Ihr Buch erscheint, möchte ich eine Pressekonferenz einberufen und der ganzen Welt erklären, dass dieser verdammte weiße Junge nicht einmal den Anstand hatte, mit diesem armen Nigger zu sprechen“, beschied King, als der Autor Anfang der Neunzigerjahre mit seinen Recherchen begann. King hatte sich längst in der Rolle des privilegierten Diskriminierten eingerichtet.

Es ist ein Part, der ihm liegt. King profitierte weniger von seinem Genie, das Newfield ihm widerwillig attestiert, als davon, dass er in eine Zeitströmung geriet: „Er war der falsche Mann zur richtigen Zeit“, schreibt Newfield. Kings Geschäft konnte nur gedeihen im Klima der späten Sechzigerjahre, die geprägt waren von Aufruhr und Aufbruch unter den Afroamerikanern und die in Martin Luther King, Ali und den Stars des Motown-Labels ihre maßgeblichen Figuren hatte.

Das Profiboxen wurde von farbigen Boxern dominiert, die Manager aber waren weiß. King stieß in diese Lücke. Doch Newfield versäumt es, King in diesen Kontext zu stellen. Er streift bloß die Black Muslim, deren Anhänger Ali war und die King gewähren ließen. Es war nämlich Ali, der sich für King verwendete. Er war auch der Hauptdarsteller in Kings größtem Deal. Das „Rumble in the jungle“ in Kinshasa, als Ali auf dem Weg zum Comeback George Foreman K.o. schlug, war eingebettet in ein Festival, bei dem sich die Motown-Helden das Mikrofon in die Hand gaben – eine meisterhafte Inszenierung, die King drei Jahre nach seiner vorzeitigen Haftentlassung rehabilitierte.

Minutiös listet der Autor auf, mit welchen Methoden King arbeitete, was der Boxer Tim Witherspoon lakonisch kommentiert: „Dons Spezialität sind Verbrechen von Schwarz gegen Schwarz. Ich bin schwarz, und er hat mich ausgeplündert.“ King nutzte stets die Unerfahrenheit jener, die den Deal mit ihm als einzige Chance begriffen. Mike Tyson ist da keine Ausnahme.

„Er ist der Citizen Cane des Boxens. Er will geliebt werden“, lässt Newfield den Branchenkenner Michael Katz urteilen. Auch da ist etwas dran. Mitunter wirkt King tatsächlich wie eine Fantasiegestalt, deren Rosebud in New York, Las Vegas und Atlantic City steht.

Heute ist es ein Leichtes für King, seine Boxer zu platzieren. Ihre Kämpfe sind Beiwerk, die eigentliche Inszenierung gilt ihm. Nicht die Duelle von Boxern wie John Ruiz und Lamon Brewster blieben in Erinnerung. Es ist Kings Präsenz. Der Autor kapituliert am Ende, im Wissen, dass es Menschen wie King immer im Boxen gegeben hat und dass beinahe jeder dazu verdammt ist, sich früher oder später auf die Spielregeln Kings einzulassen. Dessen Erbfolge ist längst bestellt: Stiefsohn Carl ist schon vor Jahren als Promoter auf den Plan getreten – als eine blasse Blaupause des Mannes, der den austauschbaren Helden die Fäuste fernsteuert. STEFAN OSTERHAUS

Jack Newfield: „Harte Bandagen – über das Leben und andere Geschäfte des Don King“. Bombus Verlag München, 448 Seiten, 19,90 €