Der schiere, schöne Lärm

Am Donnerstag spielt im Prater die Nihilist Spasm Band, eine Lärmkapelle aus Kanada, die unterschiedlich sortierten Lärm in einem improvisatorischen Zugriff aneinander reiben lässt, um damit noch mehr Lärm herzustellen. Sozusagen ein Anti-Mozart, der alle bis dato mögliche und menschgemachte Kombinatorik des Schönklangs einfach ausschlägt und den schieren Lärm dagegenstellt.

Aber wieso?

Auf der Suche nach dieser Lust am Lärm muss man zuerst vielleicht durch das Dornenfeld der Philosophie. Ziemlich schnell stolpert man dabei über den Begriff der Kontingenz und steht damit an einer Wand, an der es kein Vorbeikommen mehr gibt. In der Kontingenz fasst sich nämlich eine Unverfügbarkeit, also Ereignisse, die der Mensch schlicht nicht beeinflussen kann. Sie sind Widerfahrnis und damit unhintergehbar. Man kann sich das etwa mit einer Vase vorstellen, die auf dem Boden zerschellt, was ein akustisches Ereignis ergibt, das einfach nur ist und eben nicht spielbar wie eine Geige oder Gitarre. Deswegen ist der Lärm der zerschellenden Vase auch keine Musik. Und kann doch wie Musik gehört werden. Gewissermaßen als eine vormusikalische Musik, die noch nicht geordnet und mit Bedeutungsmustern kontaminiert ist. Einfach nur Geräusch und damit im Stand einer musikalischen Unschuld, den man in der durch die ganzen Codes und Zuschreibungen festgefahrenen Musik immer wieder mal erreichen wollte. Im Begriff des Kaputtspieles für den Freejazz der Sechziger klingt das Misstrauen am Gemachten der schönen Form an. Statt einem wohl temperierten (und damit immergleich wiederholbaren) Klavier wollte man Zufall, das Beharren auf den Moment und die Nebengeräusche, die nun sowieso mit dem Knistern und Rauschen der elektrischen Instrumente und dem Feedback in die Musik drängten. Was man unterdrücken kann oder eben als nicht immer beinflussbare, kontingente Störgeräusche herausheben. Sogar als ein Mittel der Verfeinerung ist der Lärm so möglich, in einer Sublimation, wie es etwa das Kammerflimmer Kollektief (heute in der Galerie Meyer Riegger) praktiziert.

Und am anderen Ende der Lärmskala steht die Nihilist Spasm Band. Proben hält die für überflüssig, dafür spielt sie regelmäßig und seit über 40 Jahren montags in einer Galerie in ihrer Heimatstadt Ontario. Und dass nichts versehentlich in die klassische Harmonielehre rutschen kann, dafür sorgen schon die selbstgebastelten und natürlich nicht aufeinander abstimmbaren Instrumente.

Lärm muss Lärm bleiben. Anti-Mozart-Nichtmusik-Musik. Wunderbar. THOMAS MAUCH

■ Nihilist Spasm Band: Prater, Do