„Rassistische Tendenzen“

Rudolph Bauer spricht über Gesellschaft, Hartz IV und die Wiedervermenschlichung von Arbeit

■ 73, ist Autor und Publizist und emeritierter Prof für Wohlfahrtspolitik und Soziale Dienstleistungen an der Uni Bremen.

taz: Herr Bauer, stellen Sie Ihr neues Buch „Kaltes Land“ gemeinsam mit dem Mit-Herausgeber Holdger Platta vor?

Rudolph Bauer: Als Hartz-IV-Empfänger ist er leider finanziell nicht in der Lage, nach Bremen zu kommen.

Ihr Buch besteht aus Erfahrungsberichten von Hartz-IV-Empfängern, aber auch aus Analysen der Gesellschaft. Sie ziehen zum Beispiel Vergleiche zur Weimarer Republik – wo liegen da Parallelen?

Auf politischem, auf sozialem und auf ökonomischem Gebiet. Das Ökonomische dürfte angesichts der Finanzkrise klar sein. Beim politischen Aspekt geht es darum, wie Kompetenzen der Regierungen auf europäische Ebene verlagert werden und somit nicht mehr dem Volkswillen entsprechend geklärt werden können. Den sozialen Aspekt sieht man ja zum Beispiel an der Occupy-Bewegung. Und es gibt beunruhigende rechte Entwicklungen. Nehmen Sie das Stichwort NSU oder die wachsende Islamophobie, also schon starke rassistische Tendenzen, die von Teilen der Bevölkerung auch toleriert werden.

Und dann gibt es das Thema „Wiedervermenschlichung“ – worauf bezieht sich das?

Auf Konzepte in den Bereichen Ökonomie und Gesellschaft. Frigga Haug spricht zum Beispiel von der Gleichberechtigung von Produktion, Reproduktion, Kulturarbeit und politischem Engagement. Die Idee der Arbeitszeitverkürzung, die ebenfalls vorgestellt wird, meint ja nicht, dass man weniger arbeiten und sich ansonsten langweilen soll, sondern dass politisches und kulturelles Engagement einen höheren Stellenwert erhalten.

Das Thema Arbeitszeitverkürzung geht oft mit der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen einher; schließen Sie sich ihr an?

Das ist ein denkbarer Weg, aber da bedarf es noch der Gedanken und Vorschläge vieler. Ich würde die Idee durchaus befürworten.

INTERVIEW: SIMONE SCHNASE

Villa Ichon, 20 Uhr