Entschlossener Witwer

Schwanken, ein Sturz. Mit dem Kinn auf eine Blumenkastenecke, mit der Stirn gegen die Hauswand. Die Diagnose: gebrochenes Genick, Querschnittslähmung, künstliche Beatmung.

Zehn Jahre sind seitdem vergangen, für Ulrich Koch eine Zeit voller Kämpfe: für seine schwerkranke Frau, für die Sterbehilfe in Deutschland, gegen die Zurückweisung deutscher Gerichte. Am vorläufigen Ende steht ein Teilerfolg: Zwar vermied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Entscheidung, ob Sterbehilfe in Deutschland rechtens sei; jedoch sprach er dem Witwer ein Schmerzensgeld zu und rügte die deutschen Gerichte für das Abweisen der Klagen.

„Man muss verstehen, in was für einer Klemme, in was für einem Dilemma wir gesteckt haben“, sagte der Braunschweiger dem NDR-Fernsehen. Seine Frau Bettina wünschte sich den Tod, wollte so nicht weiterleben: künstlich beatmet und im Rollstuhl. In der Schweiz fand das Ehepaar schließlich Hilfe, eine Selbsttötung ist dort gestattet. Die damals 53-Jährige konnte unter ärztlicher Aufsicht und mit Hilfe des Vereins Dignitas das Medikament einnehmen, um das sie sich vorher in Deutschland zusammen mit ihrem Mann beim Bundesinstitut für Arzneimittel vergeblich bemüht hatte. „Sie war so entspannt und hat gelächelt“, erinnert sich Koch.

Die Gerichte in Deutschland wollten seiner Frau diese Erlösung nicht ermöglichen, wiesen die Klage zurück – Begründung: Der Gatte sei nicht berechtigt zu klagen. Darum zog der ehemalige Exportkaufmann mit seinem Anliegen vor den EGMR. Durch dessen gestriges Urteil ist die endgültige Entscheidung allerdings vertagt. „Es wird wohl erneut ein langer Atem gefordert sein, aber ich werde weitermachen“, sagt der 69-Jährige.

25 Jahre waren er und Bettina verheiratet, mittlerweile hat Koch eine neue Frau. Mit dem Urteil kann er sich nun wieder an die deutschen Gerichte wenden. Und weitere zehn Jahre will er vermutlich nicht warten müssen.  ARS