LESERINNENBRIEFE
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Aufwachsen mit Pseudowerten

■ betr.: „Guides sind geil“, taz vom 19. 7. 12

Kaum zu fassen, welche Kräfte entfesselt würden, wenn sich nicht Tag für Tag Menschen mit all diesem Mist beschäftigen würden. Bestimmt ist das in den „Männerzeitschriften“ nicht anders, nur dass es da eher um Reifen geht und wie man sie aufblowt! Wer mit diesen Pseudowerten aufwächst, tut mir leid. Spontan fiel mir der alte Comic-Band „Schnell im Biss“ mit dem „BLÖD“-Cartoon und der Headline „Das muss ich denken“ ein! Mir selbst gehen schon die Bevormundungen durch die Wettermeldungen auf den Geist (manchmal auch Ihre!): Es ist Sommer, also muss es „schön“ sein, und das heißt ausschließlich permanent Sonne, denn dann „muss“ ich grillen und gut drauf sein … Die Blow-Job-Gebrauchsanleitung plus Bauch-weg-Diät (was mach ich eigentlich ohne Bauch?) sind nicht die einzigen Manipulierversucher! PETRA GROSSE-STOLTENBERG, Hattingen

Da gibt es nichts zu diskutieren

■ betr.: „Missbrauch der Vorhaut“, taz vom 18. 7. 12

Da gab es einen klaren Artikel in der taz, der feststellte, dass Körperverletzungen nicht durch Religionsfreiheit gerechtfertigt werden können, Steinigungen genauso wenig wie Genitalbeschneidungen. Und dann kommt heute versteckt unter „Die Gesellschaftskritik“ ein Artikel von „CAK“, der indirekt und verschwurbelt die Beschneidung verteidigt – mit dem Vorwurf an den Zentralrat der Exmuslime, der „keine Gelegenheit auslässt, über den Islam zu schimpfen. So wird jetzt auch die männliche Vorhaut dazu genutzt, Ressentiments gegenüber dem Glauben loszuwerden. Statt wirklich über die Kinderrechte zu diskutieren“. Da gibt’s nichts zu diskutieren: Kinder haben das Recht auf körperliche Unversehrtheit – und zwar egal, was die Eltern glauben! (Sonst: vielleicht noch mal den Artikel „Beschneidungen und andere Traumata“ vom 3. 7. lesen!)

WOLFRAM GIESE, Neu Wulmstorf

Voraussehbare Polemik

■ betr.: „Der Wunsch nach Maßregelung“, taz vom 17. 7. 12

Jeder organische Eingriff bei Kleinkindern/Kindern/Unmündigen ohne triftigen Grund (etwa medizinische Indikation) ist als Grundrechtsverletzung zu betrachten.

Die aktuelle Debatte hat gezeigt, wie borniert und tautologisch Religionsvertreter und -anhänger argumentieren, ohne auf die berechtigten Einwände und Argumente der Gegenseite seriös einzugehen. Die begründete Sorge, dass das Kölner Gerichtsurteil bei Islam- (und Juden-)gegnern bereits so weit führt, die Beschneidung als „barbarisch“ hinzustellen und die Religionen dadurch zu diffamieren, ist erstens voraussehbare Polemik und zweitens kein Grund, diese Praxis zu bagatellisieren. Dass das Urteil ein deutsches ist, liegt nun mal an der Tatsache, dass der vierjährige Junge mit Nachblutungen ins Krankenhaus kam und der Hergang dieser Notsituation rechtlich unklar war, weshalb die Justiz wirksam wurde. Die Verquickung dieses Urteils mit deutscher Geschichte ist so voraussehbar wie unvernünftig. Es geht prinzipiell um die Frage, ob Grundrechte auch halten, was sie versprechen, und dass Widersprüche, Ungleichbehandlungen und Doppelstandards möglichst beseitigt werden.

MARK SCHILD, Berlin

Mediale Vorbereitung auf Krieg

■ betr.: „Die Schlacht um Damaskus“ u. a., taz vom 18. 7. 12

Mich erinnern die Nachrichten über Syrien an die mediale Vorbereitung auf den Irakkrieg. Alles, und sei es der Anschlag auf das Geheimdienstgebäude in Aleppo, wird gegen Assad gewendet. Selbstmordanschläge wie am 23. Dezember und 6. Januar mit über 70 Toten werden noch als taktisches Manöver der syrischen Regierung – um die Aufständischen zu diskreditieren – bewertet. Auch das neueste Selbstmordattentat, bei dem viele syrische Regierungsmitglieder getötet wurden, wird nicht wirklich verurteilt. Ich weiß nicht, wie die Umstände in Syrien sind. Aber: Woher kommen die Waffen und die Munition, mit denen die Anschläge verübt werden? Auch die Frage, wer welches Interesse am Sturz Assads hat, stellt sich mir. Solange Saudi-Arabien, einer der undemokratischsten Staaten, in dem Frauen fast rechtlos sind und in dem der Salafismus Staatsreligion ist, als Partner des Westens angesehen wird, so lange fällt es mir schwer, daran zu glauben, es ginge bei dem Sturz Assads um Menschenrechte und Demokratie. Assads Syrien ist kein demokratisches System, aber im arabischen Kontext eines der liberalsten, was den Islam betrifft. Assad hat wahrscheinlich den Fehler, im Iran keinen Gegner zu sehen und sich die USA auf Distanz zu halten. Nach dem Sturz Assads, fürchte ich, werden genauso wenig wie im Irak oder in Libyen bessere Lebensbedingungen für die Menschen entstehen.

FRIEDHILDE SCHOLL, Frankfurt am Main

Es geht um Einfluss und Macht

■ betr.: „Die Schlacht um Damaskus“, taz vom 18. 7. 12

Der sich Georg Baltissen aufdrängende Vergleich zur Schlacht um Algier hinkt, denn während sich vor 50 Jahren ein Land von ausländischen Fremdherrschern befreien wollte, töten heute in Syrien vom Ausland ausgerüstete und ermutigte Oppositionelle gegen ihr verhasstes Regime. Die Rebellen hätten „die überlegene Moral auf ihrer Seite“? Menschen umzubringen ist für mich Mord. Geht es uns (dem Westen) nicht um Vermehrung von Einfluss und Macht?

HOLGER OEHMICHEN, Hamburg