Paris verkauft Autobahnen

Frankreich bekämpft seine Staatsverschuldung mit weiteren Privatisierungen

PARIS taz ■ Möchten Sie ein Stück Autobahn kaufen? Dann richten Sie Ihre Gebote an die französische Regierung. Die will ihre verbleibenden Anteile an den drei großen Autobahngesellschaften des Landes komplett abstoßen. Ziel der Operation, aus der Finanzminister Thierry Breton Einnahmen in Höhe von 11 Milliarden Euro erwartet, ist es, den französischen Staatssäckel aufzufüllen. Ein Teil soll für „Infrastrukturmaßnahmen“ – darunter die Verbesserung des Schienennetzes – ausgegeben werden. Die Totalprivatisierung des Autobahnnetzes, bei dem der Staat bislang Mehrheitsaktionär ist, folgt der Grundsatzrede des neuen Regierungschefs Dominique de Villepin. Er hatte weitere Veräußerungen des staatlichen Besitzes angekündigt.

In den Staus im Hochsommerverkehr auf den Autobahnen gen Süden regten sich gestern erste Proteste. „Das wird wieder teurer für uns“, war der häufigste Kommentar von AutofahrerInnen. Schon jetzt kostet die Autobahngebühr für die Strecke zwischen Paris und Marseille rund 40 Euro pro Pkw. Dass der Staat wie versprochen auch in Zukunft die Preispolitik der privaten Unternehmen kontrollieren kann, bezweifeln in Frankreich viele.

Kritiker merkten gestern auch an, dass die zu erwartenden Einnahmen zwar eine vorübergehende Erleichterung für die Staatskassen brächten, der Staat aber zugleich seine regelmäßigen Einnahmen aus den Autobahngebühren verlieren wird. Gegenwärtig belaufen sich diese auf 300 Millionen Euro pro Jahr.

Die bisher größten privaten Anteilshalter an den Autobahnen sind die drei französischen Bauriesen Bouygues, Vinci und Eiffage. Von ihnen wird auch Interesse bei der jetzt anstehende Totalprivatisierung erwartet. Laut dem französischen Finanzminister können aber auch andere Investoren – inklusive Ausländer – mitbieten. Die Gebote müssen bis zum 22. August in Paris eingehen.

Im Angebot sind konkret 2.260 Kilometer auf der Paris–Rhein–Rhône-Autobahn, (APRR), 3.124 Kilometer auf der Autobahn nach Süden (ASF) und 1.722 Kilometer auf der nördlichen und östlichen Autobahn (Sanef). Sämtliche Autobahnen sind prima in Schuss. Dafür hat der französische Staat gesorgt. Diese Vorleistungen aus Steuergeldern sollen künftig Privatunternehmen zugute kommen. Der Börsengang, der schon lange erwartet, aber aufgrund politischer und gewerkschaftlicher Proteste immer wieder verschoben wurde, kommt nun direkt nach der Privatisierung des Gasunternehmens GDF – womit Anfang Juli 2,5 Milliarden Euro in die Staatskassen geflossen sind. Und noch vor der Privatisierung des französischen Elektrizitätskonzerns EDF.

In den vergangenen Wochen hat die Regierung die „unerträglich hohe Verschuldung des Landes“ als Argument für das Abstoßen der verbleibenden „Staatsjuwelen“ benutzt. Gegenwärtig liegt diese Schuldenlast, umgerechnet auf jeden Franzosen, bei 17.000 Euro. Jetzt hat Finanzminister Breton die Sommerpause genutzt, um schnell zu agieren. Proteste gegen den Ausverkauf muss er vor dem September nicht befürchten. Dann sind die Autobahnen bereits an der Börse. DOROTHEA HAHN