Das ganze Spektrum

HIP-HOP-GRENZGANG Das Spektrum-Festival auf dem Dockville-Gelände in Wilhemsburg will heute der Auflösung von Genre-Grenzen im Hip-Hop Rechnung tragen. In der Rap-Szene kommt das Konzept ertaunlich gut an

In den Dunstkreis des Sprechgesangs geht es mit den experimentellen Teebs

VON BIRK GRÜLING

Noch vor zehn Jahren wäre ein waschechter Indiehörer nie auf ein Rapkonzert gegangen. Und HipHop-Fans rümpften bei Elektro-Sound allenfalls die Nase. Derlei klare Gräben aber gibt es heute kaum noch. Breiter denn je ist das neue Spektrum des Hip-Hop und lässt Hybrid-Künstler wie Marteria oder Casper problemlos zu Helden aufsteigen. Abbilden will diese offenen Genre-Grenzen heute in Wilhelmsburg ein neues Festival namens Spektrum. Und dabei die gesamte Bandbreite der Musikrichtung auf die Bühne bringen.

„Festival ist vielleicht gar nicht das richtige Wort, ich würde es eher als ein Format-Experiment bezeichnen“, erklärt Jean Rehders von Kopf und Steine. Die Hamburger Festivalagentur ist auch schon für Dockville, Butterland und das Kunstcamp auf demselben Gelände verantwortlich. Und den Stein für das neue Projekt brachte denn auch ein Festivalauftritt aus dem letzten Jahr ins Rollen, erzählt Rehders. „Casper hat mit seinem Konzert auf dem Dockville gezeigt, dass Hip-Hop heute ein viel heterogeneres Publikum anzieht und unsere Idee damit gut in die aktuelle Musiklandschaft passt.“

Um diese Idee genauer zu versteht, lohnt sich der Blick auf das Lineup. Dem gut informierten Rapkenner fallen vor allem drei Namen ins Auge. Absolute Headliner des Abends sind ohne Frage die Orsons aus Stuttgart. Die vier Jungs haben nicht nur für September ein neues Album angekündigt, sondern waren bis vor wenigen Wochen noch auf Tour mit Herbert Grönemeyer. Ihre Mischung aus Sarkasmus und klassischem Rap ist äußerst sehens- und hörenswert. Ein Talent auf dem Sprung zur Bekanntheit auch außerhalb der Szene ist Ahzumjot. Über den Hamburger mit seiner Mischung aus Rap und elektrogeprägten Beats urteilte zuletzt der Musikexpress: „Schlaue Zeilen, guter Style, beste Beats“. Bereits Dockville-Erfahrung haben auch die Hamburger Jungs von Eljot Quent.

Eher in den Dunstkreis des Sprechgesangs geht es dann aber schon mit den experimentellen Beat-Bauern von Teebs aus den USA oder Damu aus Großbritannien, dessen Werk „Unity“ unter Elektroverliebten längst zum Insidertipp gehört. Dazu kommt mit 14th die moderne Würdigung des Souls als Wiege der Musik gemischt mit synthetischen Klängen. „Viele dieser Musiker haben ihre Wurzeln hörbar im Hip-Hop-orientierten DJing und in der Beatproduktion. Das macht das Lineup aus unserer Sicht sehr logisch“, erklärt Rehders und scheint damit nicht ganz falsch zu liegen.

Sogar in der als etwas konservativ geltenden Rapszene ist die Begeisterung über das Konzept groß. Aus Sicht von Falk, Ex-Viva-Moderator und einer der einflussreichsten Hip-Hop-Journalisten des Landes, hat genauso so ein Konzept noch gefehlt, um die neusten Entwicklungen im Genre wiederzugeben. Um die richtige Zusammenstellung von Künstlern zu finden, holten sich die Veranstalter zusätzlich einige Hip-Hop-Experte als Berater ins Boot. „Ohne diesen regen Austausch wäre das Spektrum in dieser Form kaum möglich gewesen. Wir als Veranstalter haben einfach keinen so tiefen Einblick in die Newcomer-Szene“, gibt Rehders ohne Zögern zu.

Nun hoffen die Veranstalter, dass auch die Fans so begeistert auf das Konzept reagieren, wie die Beteiligten. „Ich würde mir wünschen, dass sich das klassische Dockville-Publikum mit den Hip-Hop-Heads mischt. Dann wüssten wir, dass unser Konzept verstanden wurde.“

Los geht es schon um halb drei, frühes Kommen ist empfehlenswert, selbst die Headliner stehen bereits am frühen Abend auf der Bühne. Ums Wetter muss man sich dabei übrigens keine Sorgen machen: Die Bühne steht in einem großen Zirkuszelt.

■ Sa, 21. 7., 14.30 Uhr, MS Dockville-Gelände, Alte Schleuse