meinungsstark
:

Wortungetüme beim Gendern

„Es setzt Gewöhnung ein“,

taz vom 18. 1. 21

Ich (Mann, Jahrgang 1963) muss meine Abneigung gegen die sprachliche Verballhornung des Genderns zum Ausdruck bringen. „Sehr geehrte Damen und Herren“ – „Liebe Leserinnen und Leser“ etc., was ist daran „diskriminierend u/o. unemanzipiert“? Die Kunstpause beim Aussprechen von Wörtern wie „Leser*innen“ als auch die Unterbrechung des Leseflusses empfinde ich als überaus unangenehm. Gleichberechtigung hat etwas mit gegenseitigem Respekt auf Augenhöhe und damit stark mit Verhalten zu tun. Wortungetüme wie „Leser*innen“ zeugen vielleicht auch nur von einem Minderwertigkeitskomplex, den man meint als Triumph über das Patriarchat feiern zu müssen – was man auch als Versuch der gegenpoligen Einführung des Matriarchats sehen kann. Beide Pole haben mit „Gleichberechtigung“ nichts zu tun – da ist der Treffpunkt nämlich in der Mitte. Ralf Kniese, Fulda

taz vom 18. 1. 21

Ich gebe zu, dass ich ein Problem mit dem Gendern habe. Dies resultiert aber nicht aus dem Umstand, dass ich zu den „älteren Männern“ zähle, die „Angst (haben), etwas von (ihrer) Macht an Frauen abgeben zu müssen“. Als Befürworter der Gleichstellung der Geschlechter und Gegner jeglicher Diskriminierung sehe ich vielmehr, dass sich der Kampf um Emanzipation in Deutschland in allererster Linie auf der Ebene der Sprache bewegt. Die Lösung der realen Probleme geht dabei meist völlig verloren. Durch das nun praktizierte Gendern erlangen Frauen nicht mehr Gleichberechtigung, und wenn wir das Zigeunerschnitzel aus der Speisekarte und das Wort Neger aus alten Büchern streichen, verbannen wir nicht den Alltagsrasissmus aus unserem Leben. Staat und Gesellschaft müssen konsequent gegen praktizierten Rassismus vorgehen. Dann wäre es für mich nur selbstverständlich, dass die Sprache die realen Veränderungen widerspiegelt. Als „Ossi“ habe ich die Erfahrung gemacht, dass es in der DDR ein deutlich höheres Maß an Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen gab – ohne dass sich das in der Sprache widerspiegelte oder gar vorweggenommen wurde. Vielmehr stand dahinter die bewusste Förderung von Frauen im Beruf durch spezielle Programme. Von daher glaube ich, dass die viel diskutierten „Frauenquoten“ in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft eine Dynamik in Gang setzen wird, die sich irgendwann verselbstständigt. Nur so wird es eine Synchronisierung von Sprache, Denken und Handeln geben. Holger Burmeister, Berlin