Gnadenfrist für Darkazanli

Mamoun Darkazanli wurde wenige Stunden nach dem Urteil aus der Haft entlassen. Sobald der Bundestag ein neues Gesetz verabschiedet hat, droht ihm wieder die Auslieferung

KARLSRUHE taz ■ Es ist sein Urteil, auch wenn sein Fall in Karlsruhe zuletzt fast keine Rolle mehr spielte. Der Deutsch-Syrer Mamoun Darkazanli hat gegen seine geplante Auslieferung nach Spanien Verfassungsbeschwerde eingelegt, bekam gestern in Karlsruhe Recht und wurde noch am Nachmittag aus der Auslieferungshaft entlassen.

Darkazanli wird von der spanischen Jusitz vorgeworfen, er sei Mitglied von al-Qaida gewesen und einer der wichtigen Verbindungsleute Ussama Bin Ladens in Europa. Weil Darkazanli, der mit einer Deutschen verheiratet ist, seit 1990 deutscher Staatsangehöriger ist, konnte er zunächst aber nicht ausgeliefert werden. Erst 2004, als das Gesetz über den EU-Haftbefehl in Kraft trat, wurde die Auslieferung möglich.

Da Karlsruhe dieses Gesetz für nichtig erklärte, musste Darkazanli gestern umgehend aus der Haft entlassen werden. So lange keine Möglichkeit besteht, ihn auszuliefern, ist auch keine Auslieferungshaft zulässig. Möglicherweise erhält der Deutsche jetzt Haftentschädigung von elf Euro pro Tag.

Darkazanli ist zunächst ein freier Mann. In Deutschland liegt gegen den Hamburger Kaufmann, der viele Schlüsselfiguren der Terrorszene persönlich kennt, nichts vor. Ein Geldwäscheverfahren war in den 90er-Jahren bei der Frankfurter Justiz versandet. Bis 2002 war die bloße Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorgruppe in Deutschland nicht strafbar. Und die seit knapp vier Jahren laufenden Ermittlungen, die Generalbundesanwalt Kay Nehm gegen Darkazanli führt, haben bisher auch nichts Konkretes ergeben.

Doch wenn der Bundestag die Karlsruher Vorgaben umsetzt und das Haftbefehlsgesetz novelliert, dann wird es auch für Darkazanli wieder eng. Er war viermal in Spanien und hat sich dort mit dem Chef der örtlichen Al-Qaida-Zelle, Abu Dahdah, getroffen. Der künftig entscheidende Auslandsbezug dürfte gegeben sein.

Darkazanli wird aber wohl trotz der weiterhin drohenden Auslieferung nicht untertauchen. Die deutsche Staatsangehörigkeit schützt ihn eben nur in Deutschland. In jedem anderen EU-Staat würde er festgenommen und an Spanien ausgeliefert. Und außerhalb der EU, etwa im arabischen Raum, müsste Darkazanli sogar damit rechnen, von US-Kommandos entführt und nach Syrien verschleppt zu werden.

Die Entlassung Darkazanlis ist für die Bundesregierung zwar peinlich, aber vermutlich folgenlos. Dass Justizministerin Zypries gestern von einem „Rückschlag im Kampf gegen den Terrorismus“ sprach, geht eher in die Irre. Die allermeisten Fälle des EU-Haftbefehls betreffen nicht vermeintliche Terroristen, sondern ganz normale Kriminalität. CHRISTIAN RATH