Sitz in weiter Ferne

AUS BERLIN ERIC CHAUVISTRÉ

Die Gespräche sind gescheitert, aber einen „Rückschlag oder Ähnliches“ habe es nicht gegeben. Zwar konnten sich die eigens nach New York gereisten Außenminister der aus Indien, Deutschland, Japan und Brasilien bestehenden G-4-Gruppe nicht mit den Vertretern der Afrikanischen Union (AU) auf ein gemeinsames Vorgehen bei der Reform des Sicherheitsrats einigen, aber „der Wille, sich zu einigen“, so ein Sprecher des Auswärtigen Amts gestern in Berlin, „besteht auf beiden Seiten“.

Es galt Optimismus zu verbreiten, droht der Bundesregierung doch ausgerechnet wenige Tage vor dem wahrscheinlichen Termin für die Bundestagswahl das Scheitern ihres ambitioniertesten außenpolitischen Projekts. Denn Mitte September soll bei einem Gipfel in New York dieser Teil der UN-Reform abgeschlossen sein.

Um gemeinsam mit den anderen G-4-Staaten einen Platz in der ersten Reihe der Weltpolitik zu ergattern, benötigt die Bundesregierung zwingend die Stimmen der afrikanischen Staaten. Mindestens 40 der 52 AU-Mitglieder, so das Kalkül, müssten für den Vorschlag stimmen, damit er die notwendige Zweidrittelmehrheit von 128 Stimmen in der UN-Generalversammlung erreicht. Doch bislang will die afrikanische Gruppe im Gegensatz zu den G 4 nicht auf ihre Forderung nach einem Vetorecht für die neuen ständigen Mitglieder verzichten. Auch fordert sie einen zusätzlichen nichtständigen Sitz für einen afrikanischen Staat (siehe Grafik). Nach dem gescheiterten Treffen vom Wochenende ist für den kommenden Montag ein weiteres Gespräch angesetzt. Doch selbst wenn es zu einer Einigung dort kommt, ist ein deutscher ständiger Sitz noch lange nicht sicher.

Die entscheidende Hürde aber stellt die Ratifizierung dieser Reform dar, da diese nicht nur von Zweidritteln der UN-Mitglieder, sondern auch von allen bisherigen ständigen Mitgliedern – also von China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA – vorgenommen werden müsste. Die US-Regierung hat in den letzten Wochen unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie nur eine Aufnahme Japans in die Runde der ständigen Mitglieder befürwortet. China hingegen will eine Aufnahme Japans verhindern. Auch Russlands Unterstützung ist unsicher.

Kann sich weder die G 4 noch die afrikanische Gruppe durchsetzen, könnte eine dritte Option zum Zuge kommen: Eine rund 40 Staaten umfassende Gruppe, darunter Italien, Spanien, Polen und Indonesien, schlägt vor, den Sicherheitsrat nur um nichtständige Mitglieder zu erweitern. Im Gegensatz zur bisherigen Praxis soll die direkte Wiederwahl allerdings möglich sein. Zumindest offiziell will man in Berlin aber über diesen „Plan B“ lieber nicht nachdenken.