Letzte Chance: Koselleck in Köln

17 Gründe? Unfug! Es sind mindestens hundert Gründe, die es einem verbieten, sich schon vor dem Besuch der Ausstellung von Ruppe Koselleck und Kai Hörstensmeyer in Köln das Hirn aus dem Schädel zu pusten. Selbstmord ist keine Lösung? Recht haben Sie. Aber die kleine Schau in der Galerie Kunstwerk heißt nun mal „17 Gründe, sich erst nach dieser Ausstellung zu erschießen“.

Also geht der Kunstbeflissene hin, die Magnum geladen in der Tasche, und findet vor, was er zu finden gehofft hatte: das Spielzeug eines Jägers und Sammlers. Koselleck läuft durch die Welt und sammelt Gegenstände auf: verrostete Batterien, Löffel, Knöpfe, Muscheln, eben alles, was man so findet. Anhand dieser Alltags-Exponate erzählt er dann Geschichten, die vom Fundort der Dinge handeln und nicht zuletzt von der Flüchtigkeit eines Moments. Dabei kommen wunderbare Sätze heraus. Zum Beispiel dieser hier, mit dunkler Tinte auf einen kleinen Plastikkasten geschrieben, in dem Koselleck seine Fundstücke aufbewahrt: „Zwischen den Strandkörben 129 und 126 findet sich im Licht der untergehenden Sonne orange glitzernd eine Batterie nebst all den typischen Stranddingen, die da Tang, Muscheln und barbusige Mädchen sind.“

Um den Betrachter in ein Gelächter zu versetzen, dass fast die Magnum in der Tasche losgeht, brauchen Koselleck und Hörstensmeyer nur wenige Worte. Unter einer winzigen Filzpuppe mit Holzgewehr steht lapidar: „Öko-Kriegsspielzeug“. Unter einer Drahtzahnbürste: „Sadomed oder Masodent“. Und ein umhäkeltes Teelicht wurde mit „Teelichtwärmer“ beschriftet. Koselleck ist im Grunde Satiriker. Und natürlich Dosaist, wie er sich gerne selbst bezeichnet. So sind in Köln auch zwei Arbeiten aus Dosen zu sehen: seine Cola-Kreuze, die er für jedes Land angefertigt hat, das einen Coca Cola-Konzern beheimatet, und die „kleine Fischdatei“, ein Register mit Fischkonserven-Deckeln.

Die Magnum wartet. Also eine letzte Runde, vorbei an der Wand, die mit „Ich und Ikea“ überschrieben ist. Fotos von Ruppe in Ikea-Bilderrahmen, die Fotos von Ruppe in Ikea-Bilderrahmen zeigen. Fotografiert bei, naja: Ikea. Dann: das „Wurstsalatquadrat Aldi-Süd“. Verschimmelter Wurstsalat im Holzquadrat unter Folie. Dann raus auf die Straße. Als der Betrachter draußen steht, die Sonne fühlt und ein breites Grinsen in seinem Gesicht, weiß er gar nicht, warum er sich überhaupt erschießen soll. Kunstwerk Köln: Mindestens hundert Gründe, weiterzuleben. BORIS R. ROSENKRANZ

Nur noch Donnerstag und Freitag 17 bis 20 Uhr, Kunstwerk, KölnInfos: 0221-8800767