Kein Protest in Putlos

Der Truppenübungsplatz im ostholsteinischen Putlos lädt heute zu einem Tag der offenen Tür. „50 Jahre Bundeswehr – 70 Jahre Putlos“, steht auf der Einladung. Doch niemand regt sich auf

von Daniel Wiese

Hans-Peter Hopp versteht die Welt nicht mehr. „Niemand hat reagiert“, sagt der Sonderschulrektor aus Neustadt/Holstein. Dabei hat er in seinem Leserbrief doch alles erklärt. Warum es so nicht geht, mit den 50 Jahren und den 70 Jahren, in einem Atemzug. Weil das eben zwei verschiedene Sachen sind, die 50 Jahre und die 70 Jahre. Das eine völlig in Ordnung. Das andere sehr problematisch, wegen der Nazivergangenheit.

Hans-Peter Hopp war bei den Grünen, da hat er das alles schon mal erlebt. 1985 war das, zur Zeit der Friedensbewegung, da feierten der Truppenübungsplatz Putlos und die Stadt Oldenburg/Ostholstein „50 Jahre Garnisonsstadt – 50 Jahre Tradition“. 1985 minus 50 macht 1935. Die Nazis hatten damals das Gut Putlos aufgekauft, um endlich ihre schweren Waffen zu erproben. Putlos war dafür optimal geeignet, der Platz liegt offen zur Ostsee hin.

1985 kam es zu heftigen öffentlichen Protesten, die SPD in Ostholstein sagte ihre Teilnahme an den Feiern ab. Der damalige Standortkommandant, Oberstleutnant Siegmar Witzleben, sah sich in den Lübecker Nachrichten zur Verteidigung genötigt: „Weder der nationalsozialistische Geist von 1935 noch eine unterstellte Militärtradition aus dieser Vergangenheit“ seien der Grund für die Veranstaltung, sagte er. Im übrigen werde sich bei der Vereidigung der Rekruten „breiter Raum für kritische Betrachtungen“ finden lassen.

Mag sein, dass die Bundeswehr seitdem gelernt hat. „Tag der offenen Tür“ steht auf den Einladungen, die in der Umgebung des Truppenübungsplatzes aushängen. Und dann, ganz schlicht: „50 Jahre Bundeswehr – 70 Jahre Putlos“, es folgt das heutige Datum. „Wir feiern das nicht“, sagt der derzeitige Standortkommandeur, Oberstleutnant Reiner Wulff. „So schlau sind wir schon. Es macht ja keinen Sinn, dass wir uns die Finger verbrennen.“

Dem Standortkommandeur zufolge sei der heutige Tag vor allem für die Touristen aus dem benachbarten Ferienzentrum „Weissenhäuser Strand“ gedacht, denn: „Wenn auf dem Übungsplatz geschossen wird, ist es manchmal nicht so leise.“ Für den Tag der offenen Tür hat der Kommandant eine Schießpause angeordnet.

Die Konfliktlinie zwischen den Militärs auf dem Truppenübungsplatz und den benachbarten Feriengästen ist nicht schwer zu verstehen. Womöglich geht es beim Tag der offenen Tür tatsächlich eher um gute Stimmung und nicht um die Geschichte. Warum dann aber überhaupt diese Jahreszahlen? „Wir hätten auch letztes Jahr ‚49 Jahre Bundeswehr – 69 Jahre Putlos‘ hinschreiben können“, behauptet der Kommandeur.

Es scheint ganz so, als blieben die Proteste diesmal aus. Die heutige Vorsitzende der SPD Ostholstein, Regina Poersch, kommt zwar nicht zu der Feier, aber nur weil sie in Urlaub ist. „Ich wäre sicher hingegangen“, sagt sie. Sie zögert kurz. „Weil sich die Zeiten auch mal ändern.“

Für die Touristeninformation des Städtchens Oldenburg ist die Sache sowieso klar. Mit dem Tag der offenen Tür, heißt es dort, würden „50 Jahre Bundeswehr und 70 Jahre Truppenübungsplatz gefeiert“. Es scheint, Hans-Peter Hopp ist wirklich der einzige, der sich noch aufregt. Sein Leserbrief wurde von der Lokalzeitung nie abgedruckt.