Pass uff, BVG, so jeht dit nich …

Die Grünen wollen Senat und BVG unter Druck setzen und verteilen 7.500 Protest-Postkarten. Auf denen sollen die Berliner ihrem Ärger über die Metrolinien-Reform Luft machen. Der Fraktionsmitarbeiter, der die Karten auswerten muss, zittert schon

VON ULRICH SCHULTE

Wer glaubt, der Lebenszweck einer Postkarte bestehe darin, Floskeln über Wetter und Hotelbetten in die Welt zu tragen, irrt. Die Grünen wollen die politische Diskussion über das Metrolinien-Konzept der BVG neu anfachen – per Postkarte.

Wenn es nach Verkehrsfachfrau Claudia Hämmerling ginge, sollen möglichst viele BerlinerInnen auf einer solchen ihrem Ärger über die Mitte Dezember gestartete Netzreform Luft machen: „Die Metrolinien sind ein gutes Angebot, aber die Einschränkungen im Ergänzungsnetz lassen gerade alte und behinderte Menschen außen vor“, sagt Hämmerling. 100 Haltestellen werden seither nicht mehr angefahren. Deshalb müssten die Kunden weiter laufen und öfter umsteigen, sagt die Grünen-Abgeordnete und fügt hinzu: „Die späteren Korrekturen der BVG an Bus- und Tramlinien sind nur Marginalien.“

Das feinsinnige Printprodukt greift das Motiv der stillgelegten Haltestelle auf – vorn ist ein Foto mit einem fröstelnden jungen Mann samt Regenschirm an der Haltestelle zu sehen, hinten der Spruch: „Lässt die BVG Sie auch im Regen stehen?“. Der Halbsatz „Ich bin unzufrieden mit der Bus, Tram oder U-Bahn Nr. … , weil …“ lädt dann zum Meckern ein – auch die Aufforderung, Verbesserungsvorschläge zu machen, fehlt nicht.

7.500 Stück wollen die Grünen in den nächsten Wochen unter die Leute bringen. In der Innenstadt wird eine Werbeagentur die Karten in Kneipen, Cafés und Ärztehäusern auslegen, in den Randbezirken sollen Geschäftsstellen und BVV-Fraktionen ran.

Einsendeschluss ist der 1. Oktober. Die Auswertung übernimmt ein Mitarbeiter der Fraktion. Dass er Mitleid verdient, weiß jeder, der schon mal mit empirischer Forschung und Fragebögen zu tun hatte. Die Ergebnisse will Hämmerling postwendend BVG und Senat vorhalten.

Die von der Verkehrsexpertin prognostizierte Rücklaufquote von 10 Prozent ist, sagen wir, optimistisch, auch wenn sie sagt: „Kurz nach der Netzänderung kam ich mir vor wie die BVG-Beschwerdestelle, so viele Leute haben sich gemeldet.“ Hämmerling hofft auch auf Antworten per Mail, eine virtuelle Version der Karte wird ins Internet gestellt. Die BVG folgere aus der rückläufigen Zahl von Beschwerden fälschlicherweise, dass die BerlinerInnen mit dem Angebot zufrieden seien, so die Grüne. „Dabei haben sie nur wegen standardisierter, nichts sagender Antworten die Hoffnung aufgegeben.“

Es ist, um im Bild zu bleiben, ein abgekartetes Spiel, dass die Grünen ihre Aktion jetzt starten. Ab dem 1. August fordern BVG und S-Bahn höhere Ticketpreise. Ein Einzelfahrschein wird dann 2,10 Euro (bisher: 2 Euro) kosten, eine Monatskarte 67 Euro (bisher 64 Euro). „Die BVG schränkt ihr Angebot ein, dreht aber gleichzeitig an der Preisschraube. Das führt verkehrspolitisch in die Sackgasse“, so Hämmerling.

Um die Schlagkraft ihrer Aktion zu verstärken, macht die Grünen-Fraktion auch ökonomisch Druck: Zwei Mitarbeiter und eine Abgeordnete, die namentlich nicht genannt werden will, werden ihre Jahresabos nicht verlängern. Es wäre übertrieben zu behaupten, dass die BVG angesichts dessen erzittert. „Wir haben seit der Metrolinien-Reform im Vergleich zum Vorjahr mehr Fahrgäste, deshalb werden wir keine alten Diskussionen erneut führen“, sagt Sprecher Klaus Wazlak. „Für neue Anregungen sind wir aber dankbar.“

Protestpostkarte im Netz unter: www.gruene-fraktion-berlin.de